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Ausgabe 4 |
Kalte Schatten breiten sich über die Arbeitslosen, Brotlosen, Obdachlosen, Rentner, Jugendlichen, Frauen, Kinder, Familien, Arbeiter und Angestellten im ganzen Land aus. Unsere Stadt Leipzig ist keine Ausnahme. Die Montagsdemonstrationen gegen die Armutsgesetze von Hartz IV kommen einem Notschrei gleich. Sie entstanden spontan. Ein "Heißer Herbst" ist daraus nicht geworden. Einverständnis mit der Armut bedeutet das keinesfallls. Eher muß von Rat- und Fassungslosigkeit gesprochen werden. Abhilfe kann aber nur von unten durch die eigene Tat der breiten Massen kommen. Auch wenn die Zahl der Demonstrierenden stark gesunken ist bis zum Jahreswechsel, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, daß ein kleiner Kern für die immer größer werdende Schicht von wachsender Existenzunsicherheit Betroffener steht. Damit diese sich für ihre Interessen widerständig organisieren, müssen die arbeitenden Klassen unter ihnen in Bewegung kommen. In ihren Reihen gibt es heute schon arbeitende Arme, die das Einkommen für die Familie erwirtschaften, aber keine Aussicht haben, ihre Lage jemals zu verbessern.
Das Kapital ist kein Lichtbringer sozialer Sicherheit und kulturellen Fortschritts. Aber es versteht zu bemänteln. Dafür kauft es sich Mäuler, engagiert allerlei Leute. Das deutsche Unternehmertum hat kein Interesse am „Sozialstaat", es kämpft den Generalangriff auf die Sozialpolitik und drückt die Löhne bis auf den menschenunwürdigen Tiefstand von 1 Euro herab. Jeglicher staatlicher Schutz der Arbeitskraft soll beseitigt werden. Von „Zwangsarbeit" ist nicht nur unter den Leipzigern die Rede. Das ganze Ausmaß der Konsequenzen von Hartz IV ist noch gar nicht absehbar. Jeder Tag kann neue persönliche und soziale Katastrophen bringen. In Leipzig gehören Dauerarbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit schon längst zum Alltag. Suppenküchen weisen darauf hin, daß die BRD-Gesellschaft vor dem Problem der Masssenfütterung steht. Gesundheit ist eine Ware geworden. Der großen Masse wird die Bildung entzogen, weil sie für die höheren Gesellschaftskreise reserviert bleibt. Bildung zu erwerben, oder auch nur Bücher und Zeitungen zu lesen, ist für die Leipziger eine Frage des Einkommens geworden. In den Mittelschichten verbreitet sich die Angst vor dem Absturz. In der Bevölkerung wird unüberhörbar darüber nachgedacht, ob sich 1933 wiederholen kann. Die Ergebnisse der letzten Kommunal- und Landtagswahlen, die Aufmärsche der Nazis in Leipzig, der Wiege der deutschen Arbeiterbewegung, haben diese Sorge verstärkt. Aber entgegen aller Erfahrung mit dem „Klassenkampf von Oben" verweigern die Spitzen der DGB-Gewerkschaften den Protestierenden das Organisationsgefüge dieser Vereinigungen zur Entwicklung von Gegenmacht und rufen zur „Sozialpartnerschaft" auf bzw. schüren die Hoffnung auf staatliche Institutionen. Die Aktionen am 3. Januar haben erneut deutlich gemacht, daß dies eine sehr trügerische Hoffnung ist. Wie sollte es auch anders sein, ist doch die Regierung der Beauftragte des Unternehmertums. Die "Reformen", die sie ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzt, sind eine Lüge.
Die Verflechtung von Kapital- und Parteienmacht wirft die Frage auf: Wer kann wirklich ein Echo der wachsenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung sein? Hier ist die deutsche Linke gefordert, die mit allen ihren Gruppierungen - jede im Bewußtsein eines politischen Vorkämpfers - in dieser Richtung wirksam werden will. Zu dieser Linken gehört die Deutsche Kommunistische Partei. Sie hat standgehalten, obwohl ihre Mitgliederzahl unter den gegenwärtigen Verhältnissen stark geschrumpft ist. Hervorgegangen aus der bis heute verbotenen und zuletzt in die Illegalität getriebenen KPD war sie durch ihr öffentliches Dasein in der BRD eine neue Partei, die schon durch ihre bloße Existenz eine Kampfansage für die Herrschenden darstellte. Punktuell hat sie sich auch an Wahlen beteiligt. Als konsequent antiimperialistische und antimilitaristische Partei ließ sie niemals einen Zweifel daran, daß die entscheidende politische Bedingung für vierzig Jahre Frieden und den Arbeiterwohlstand in der Bundesrepublik die Machstellung der sozialistischen Staaten gewesen ist. Zur DDR verhielt sie sich stets solidarisch. Die Grundfrage der sozialistischen Bewegung ist für die DKP die Eigentumsfrage. Sie vertritt die Grundsätze des „Kommunistischen Manifestes". Die sozialistische Gesellschaft ist ihr großes Ziel, dessen Verwirklichung an die Selbstbefreiung der Arbeiterklasse gebunden ist. Die DKP ist eine Arbeiterpartei. Den außerparlamentarischen Kampf sieht sie daher als ihr hauptsächliches Betätigungsfeld an. Dabei geht sie davon aus, daß die Ideale, die nicht aus der Masse selbst herauswachsen, nie zu einem Massenideal werden könnnen.
Die Leipziger Mitglieder der DKP leisten ihren Beitrag, das kleine Lichtzeichen, das sie als kommunistische Partei im Dunkel der BRD ist, zu einem weit sichtbaren LICHTBLICK werden zu lasssen. Das ist auch der Titel, den wir unserem Mitteilungsblatt gegeben haben, das am heutigen Tage mit der NUMMER 1 erscheint. Der Name des Blattes ist Programm. Es soll ein Widerhall der ausgebeuteten und unterdrückten Unterschichten der Leipziger Bevölkerung in ihrem tagtäglichen Guerillakrieg mit dem Kapital sein. Es soll helfen, die Solidarität unter den Lohnabhängigen zu stärken, ihre Sorgen und Nöte aufzugreifen, ihre Rechte und Interessen zu verteidigen, Mut zur eigenen Tat zu entwickeln, indem es die Ideale der Arbeiterbewegung vertritt, zur Verallgemeinerung ihrer Erfahrungen und weitherzigen Ziele beiträgt. Unser Blatt versteht sich als Teil der marxistischen Öffentlichkeit in der Bundesrepublik und fördert die Zusammenarbeit der Linken auch über die Grenzen Leipzigs hinaus. So dient es zugleich der Stärkung der eigenen Organisation.
Die Redaktion, Januar 2005
Es gibt sie, die Deutsche Kommunistische Partei in Leipzig, der Stadt, in der Wilhelm und Karl Liebknecht, Julius Motteler, Franz Mehring, Georg Schumann, Otto Engert, Kurt Kresse, Georg Schwarz, Paul Böttcher, Walter Ulbricht und viele andere aufrechte Sozialisten, Kommunisten und Antifaschisten für unsere Sache kämpften, in der die erste Nummer von Lenins "Iskra" gedruckt und verbreitet wurde, in der Georgi Dimitroff über Göring gesiegt hat. Die Leipziger DKP-Mitglieder bekennen sich zu dieser Tradition. Wir bemühen uns, durch die Gewinnung neuer Mitglieder die Partei zu stärken. Von den bürgerlichen Medien weitgehend ignoriert, beteiligen wir uns an der Schaffung einer eigenen proletarischen Öffentlichkeit. Unser Kampf ist nicht leicht in der Stadt, die antikommunistisches Denken als "Heldenstadt" in die Geschichtsbetrachtung eingeführt hat, weil sie zum Zentrum jener konterrevolutionären Ereignisse wurde, die schließlich zur Liquidierung der DDR geführt haben. Es hat nur weniger Jahre bedurft bis die neuen kapitalistischen Realitäten auch denen bewußt wurden, die mit dem Ruf „Wir sind das Volk!" Initiative ergreifen wollten, aber aufgrund eigener Unklarheit über den weiteren Weg nicht verhindern konnten, daß daraus die verhängnisvolle Losung „Wir sind das Volk!" wurde. Das Vereingungsunrecht bedeutete, daß wir aus der Gesellschaft befreundeter Klassen in die soziale Kälte der Gesellschaft grundsätzlich verfeindeter und sich bekämpfender Klassen eingetreten sind. Kein noch so schönes Gerede kann verdecken: In Leipzig sind weit über 50 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos, viele Betriebe wurden dicht gemacht; aus über 70.000 Demonstrierenden 1989 wurden weit über 70.000 Arbeitslose; Leipzig ist in Ostdeutschland Zentrum der Kriminalität, des Drogenkonsums und der Prostitution; die Stadt soll zu einem Aufmarschschwerpunkt der Nazis gemacht werden. Die "Treuhand", das war die deutsche Übersetzung für einen staatskapitalistischen Enteignungstrust. Das deutsche Unternehmertum handelte fast im „leninschen Sinne" konsequent, indem es alle Kommandohöhen des Staats- und Wirtschaftsapparates mit seinen Kostgängern besetzte. So treiben die Verhältnisse selbst zum Widerstand. Sorgen wir geduldig dafür, daß er breiter wird und sich organisatorisch festigt.
Karl-Heinz Reihardt
Gründungsmitglied der DKP in Leipzig
Unter dem Motto „Widerstand gegen Sozialabbau - weg mit Hartz IV" wurde auch in Leipzig am 3. Januar um 8.00 Uhr in der Arbeitsagentur demonstriert. Über 100 Bürger unserer Stadt - der größte Teil Langzeitarbeitslose - bekundeten ihre Entschlossenheit, öffentlich Druck auszuüben gegen die Unmenschlichkeiten fortschreitender Verarmung. Für uns erfreulich war, daß sich spontan viele Demonstrierende mit der DKP vor Ort solidarisierten. Dafür gibt es einen triftigen Grund. Die heutige staatliche „Sozialpolitik" ist nichts weiter als barbarische Kalkulation, in der der Erhalt der physischen Existenz der Arbeitskraft kaum zählt. Die Hartz-Gesetze sind ihr Hauptinstrument. Sie lehren die Bevölkerung, daß der "Sozialstaat" jäh in das Gegenteil umgeschlagen ist. Der Meinungswandel in der Öffentlichkeit ist unübersehbar. Doch an eine Rücknahme der Hartz-Gesetze denkt weder das deutsche Unternehmertum noch seine Regierung. Massenhafte Dauerarbeitslosigkeit, radikaler Abbau der Löhne und Gehälter - so verheerend sie in ihren Wirkungen bereits sind, so wenig soll es damit sein Bewenden haben. Der nächste Angriff gilt der Sozialgesetzgebung. So taucht die berechtigte Frage auf, ob sich das verlogen als „Wohlfahrtsstaat" bezeichnete Sozialsystem der BRD, das realtiv lange Zeit ein bemerkenswertes Schutzssystem für die Schwächsten und Ärmsten war, überhaupt mit dem Kapitalismus verträgt. Die Berechtigung dieses Zweifels erweist sich nicht erst seit heute. Der Kapitalismus beruht auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen; in seinem Fortgang verschärft er diesen Ausbeutungscharakter ständig. Der Angriff auf die Arbeitslosenversicherung bestätigt die größten Befürchtungen: das Schwergewicht der „Arbeitsmarktreformen" ist einzig und allein auf die Frage der Finanzierung gelegt mit der Tendenz, das Unternehmertum und den bürgerlichen Staat zu entlasten, d. h. die Kosten der Versicherung vollständig den Lohnabhängigen aufzubürden. Mit fortschreitender Arbeitslosigkeit ist daher das Schicksal der Arbeitslosenversicherung besiegelt - ihre ganze Grundlage wird hinweggeschwemmt. Da gilt es, vor Ort Sammelpunkte für den Widerstand zu finden, die sozialen Schweinereien der Herrschenden beim Namen zu nennen, ihre wirklichen Ursachen aufzudecken.
K. H. W.
Vor 86 Jahren wurden die beiden Gründungsmitglieder der KPD (Spartakus), Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, von konterrrevolutionären Offizieren und einer bezahlten Soldateska ermordet. Beteiligte des Morkomplotts waren: Wilhelm Canaris, Dr. Fritz Grabowsky, Paul Jorns, Rudolf Liepmann, Waldemar Pabst, Heinz von Plugk-Harttung, Horst von Pflugk Harttung, Ulrich von Ritgen, Hans Rühle von Lilienstein, Otto Wilhelm Runge, Bruno Schulze, Hermann W. Souchon, Heinrich Stiege, Kurt Vogel. Pabst erklärte 1962 gegenüber dem "Spiegel", er habe Luxemburg und Liebknecht „richten lassen". Noske gab den Auftrag. Pabst bezeichnete seine Haltung als "vorbildlich".
Dieser politische Dppelmord führt Jahr für Jahr im Januar in Berlin Zehntausende in ehrendem Gedenken und bitterem Zorn auf ihrem Weg zur Gedenkstätte der Sozialisten zusammen. Die Entschlossensten unter ihnen erinnern sich daran, daß es dem Spartakusbund nicht an Zielklarheit mangelte, aber an der notwendigen, weit verzweigten Verbindung mit der Masse der Werktätigen in Stadt und Land. Die von Ebert, Scheidemann, Noske geleitete SPD rette den deutschen Kapitalismus aus einer tödlichen Krise. So wenig sich diese Tatsache bestreiten läßt, ebenso wenig kann in Abrede gestellt werden, daß es der Mehrheit der Arbeiterklassse noch an der erforderlichen politischen Reife mangelte, ganz zu schweigen von der Masse der Soldaten - sie sah in Ebert und Konsorten immer noch Vertreter der Partei August Bebels. So naiv und kuzsichtig diese Massenstimmung war, sie war ein bedeutsames politisches Faktum, das bei der Strategie und Taktik der revolutionären Linken hätte viel stärker berücksichtigt werden müssen. Es fehlte die revolutionäre Massenpartei. Und als es sie gab, fehlte die Einheit der Arbeiterklasse, für die Karl und Rosa stets gekämpft haben. Nur diese Einheit hätte die faschistische Diktatur verhindern können. Der Zusammenbruch der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung war kein unabwendbares Schicksal. Seit Jahren hatten Kommunisten die Katastrophe kommen sehen. Auch heute ist ein Rückfall in die faschistische Barbarei als Ausweg aus der großen Krise möglich. Der Faschismus ist eine Herrschaftsform des Kapitalismus. Dies vor allem gilt es zu begreifen. Im Bewußtsein, in diesem Sinne aus der Geschichte zu lernen, hat auch die DKP am 9. Januar in Berlin als Teil der deutschen Linken demonstriert. Wir demonstrierten für die Einheit der Arbeiterbewegung, gegen wirtschaftliche und politische Erniedrigung, gegen Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Faschismus, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Krieg. Wir zeigten, daß wir uns dem Antifaschsimus, dem Humanismus und dem proletarischen Internationalismus verpflichtet fühlen.
Die Demonstration in Berlin war die erste große überregionale Manifestation in diesem Jahr. Möglicherweise könnte sie ein verbindendes Glied zu weiteren widerständigen Aktionen werden. Viele Treffen fanden statt. Aber wir wissen auch, daß das politische Bewußtsein der Arbeiterklasse in der BRD hinter der Kapitaloffensive zurückgeblieben ist. Es bildet sich auch niemals auf dieselbe Weise. Als Kommunisten lenken wir die Hoffnungen der Lohnabhängigen nicht auf die „Sozialpartnerschaft" oder auf staatliche Organe, wie die Gewerkschaftsspitzen, sondern auf die eigene solidarische Tat, auf die Organisierung des außerparlamentarischen Kampfes zur Wahrnehmung ihrer Interessen an Ort und Stelle, dort, wo sie tagtäglich und unmittelbar verletzt werden - im Betrieb, in der Stadt und Gemeinde, auf den Behörden oder wo auch immer. Die Entwicklung in der BRD zeigt, daß alles härter wird, viel, viel härter, und Zeiten kommen werden, wo sie uns nicht nur die Butter vom Brot nehmen wollen, sondern auch ein Stück des Brotes, das wir bisher hatten, vorausgesetzt, die Arbeiterklasse verharrt in ihrem gegenwärtigen Zustand.
U.W
In Leipzig hat die Handelskette „Lidl" einen großen Markt erobert. Die Gewerkschaft ver.di hat in hoher Auflage ein Schwarzbuch zur Lage der Beschäftigten in dieser Ausbeutungsmaschine herausgebracht. Sie kommt damit einer ureigenen gewerkschaftlichen Aufgabe nach, nämlich sich der Situation der am schlechtesten bezahlten Schichten der Lohnarbeiter anzunehmen. Bei „Lidl" wird gezielt ein Klima der Angst geschaffen, damit die Beschäftigten auf die Einhaltung ihrer Rechte verzichten. Mit Erbitterung nimmt der Leser die geschilderten Zustände zur Kenntnis. Es drängt sich die Frage auf: Ihr Kleingläubigen, warum seid Ihr so furchtsam? Denn „Lidl" ist keine Ausnahme. Wenn auch von keiner „Allmacht der Gewerkschaften" die Rede sein kann, so geht es doch vor allem darum, den Zusammenschluß von KollegInnen zu unterstützen, die sich der Arbeitsgemeinschaft der Gewerkschaftsspitzen mit dem Unternehmertum, d. h. der Zerstörung ihrer Gewerkschaften als besondere Arbeiterorganisationen widersetzen. Das Schwarzbuch beweist, wie nötig dies ist. Sonst frißt das kapitalistische Lohngesetz seine Kinder.
G. K.
Als Langzeitarbeitslose mußten auch wir - meine Frau (52 Jahre) und ich (55 Jahre) - ALG II beantragen. Der Bescheid, der uns dann im November erreichte, war für uns ein Schock! Bisher bezogen wir zusammen rund 1000 Euro Arbeitslosenhilfe. Auf einmal sollten wir gar nichts mehr erhalten, obwohl wir kein Vermögen besitzen, arbeitswillig sind, uns ständig beworben haben und ebensooft - oder besser gesagt, regelmäßig - Absagen erhielten. Die erste Frage war natürlich: Wovon sollen wir ab 1. Januar 2005 unsere Miete bezahlen (366,85 Euro), wenn wir keinerlei Einkommen haben? Wir wollen arbeiten, aber dieser Staat läßt uns nicht. Man predigt zwar das Märchen vom 1. Arbeitsmarkt, hört jedoch täglich in den Nachrichten, wie viele Arbeitsplätze auf diesem vernichtet werden.Statistiken belegen: 1000.
Der Direktor der Agentur für Arbeit Leipzig, Dr. Lothar Meyer, versicherte erst jüngst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, daß über die 1-Euro-Jobs Langzeitarbeitslose wieder auf dem 1. Arbeitsmarkt Fuß fassen sollen. Welche Ironie! Damit ich überhaupt noch das Gefühl habe gebraucht zu werden, übe ich seit einiger Zeit einen 165-Euro-Job aus. Es bestünde die Möglichkeit, mit einer gewissen finanziellen Unterstützung meines „Arbeitgebers" durch den Staat, diese Beschäftigung in einen Vollzeitarbeitsplatz umzuwandeln. Anfragen bei der Agentur für Arbeit blieben jedoch erfolglos. Das Ansinnen wurde abgelehnt. Ich habe aus dem ganzen Akt nur einen Eindruck gewinnen können: Es geht überhaupt nicht darum, Arbeitslose in Lohn und Brot zu bringen (Wo denn auch?), sondern um die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosen, die von staatlicher Seite Armut verordnet bekommen. Ich habe das Gefühl, daß wir, die wir sowieso nichts haben, für die gegenwärtige Gesellschaft nur eine Rechengröße darstellen. Aber in Artikel 1 des Grundgesetzes heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Rolf Kasper
In Vorbereitung des 60. Jahrestages der Befreiung am 8. Mai 1945 fand am 12. Januar im Festsaal des Neuen Rathauses Leipzig eine Gedenkveranstaltung anlässlich der Ermordung von Georg Schumann, Otto Engert, Kurt Kresse, Georg Schwarz und Genossen statt. Für die Linke ist es auch künftig unverzichtbar, ein unverfälschtes Geschichtsbild über Faschismus und Krieg, über die politischen und sozialen Wurzeln, die Triebkräfte und die Verantwortlichen zu zeichnen. Aber zur Erinnerung gehört nicht nur das Benennen der Täter, der Profiteure, der Helfer und Vollstrecker; es ist zugleich unsere bleibende Aufgabe, der Frauen und Männer zu gedenken, die bewußt als Gegner des NS-Regimes Widerstand geleistet haben und dafür Verfolgung, KZ, Folter und Tod auf sich genommen haben.
Dr. Volker Kühlow, Vorsitzender des PDS-Stadtverbandes, Stadrat und MDL würdigte in seiner Ansprache das Vermächtnis und den aufrechten Gang der Genossen der KPD aus Leipzig: „Und wir müssen zugleich immer wieder daran erinnern - gerade auch in Leipzig - daß dieser Widerstand nicht erst am 20. Juli 1944, sondern bereits lange vor 1933 begonnen hatte. Dies gilt auch und gerade für die Protagonisten einer der verzweigtesten antifaschistischen Widerstandsorganisationen auf deutschem Boden - der Gruppe um Georg Schumann, Otto Engert und Kurt Kresse - deren Tätigkeit immerhin mit 15 Straßennamen, im Unterschied zu Carl Friedrich Goerdeler allerdings mit keinem öffentlichen Denkmal im öffentlichen Raum unserer Stadt gewürdigt wird." Kühlow, der die Ausgrenzung des tragenden kommunistischen Widerstandes gegen die faschistische Diktatur in der Politik des Leipziger Stadtrates (mit Ausnahme der PDS) geißelte, hob hervor: „Wer über 1945 und das Ende des Krieges redet, darf über den 30. Januar 1933 nicht schweigen."
Seltsam waren dann allerdings einige Umstände der Gedenkveranstaltung. Bei den einleitenden Worten von Dr. Monika Runge rückte an die Stelle des antifaschistischen Widerstandes das Lob der heutigen „abwehrbereiten Demokratie", in deren Namen 1956 immerhin das Verbot der KPD in der Bundesrepublik erfolgte. Es waren mehrere Kinder der ermordenden bzw. verfolgten KPDGenossen anwesend, so auch die Tochter von Georg Schwarz, Sonja Kurella. Keinem wurde das Wort erteilt. Wer im Rahmen des literarischen Programms einen aktuellen Bezug zum antifaschistischen Kampf - etwa zur Rolle der neofaschistischen NPD in Sachsen - erwartet hatte, wurde enttäuscht. Aber Vermächtnis bedeutet doch wohl, dem Willen der Ermordeten heute gerecht zu werden! Offenbar läßt sich Runge, Vorsitzende der Rosa- Luxemburg-Stiftung in Sachsen, auf das antikommunistische Spiel der sächsischen Staatsregierung ein, die DDR als die „Schreckensdiktatur der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts" zu verteufeln. Wer jedoch das in der DDR erschienene „Braunbuch" kennt, der weiß, wem diese Geschichtsfälschung nützt.
Vergessen wir niemals die mahnenden Worte von Wolfgang Abendroth: „Die bürgerliche Staatlichkeit ist Diktatur zur Bewahrung der bürgerlichen Gesellschaft und des bürgerlichen Eigentums und seiner Machtpositionen nach innen und zur Durchführung einer imperialistischen Politik nach außen."
L. M. S.