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Ausgabe 4 |
Diese Frage stellt sich gerade in einer Zeit, von der zu sagen ist: Weimar scheint sich zu wiederholen und auch wieder nicht: Die Unzufriedenheit geht auch nach links, aber ebenfalls in Richtung Nazifaschismus. Überwiegend jedoch äußert sie sich in Wahlenthaltung, in individueller Protesthaltung, gerade auch in Angst.
Die Frage stellt sich insbesondere auch aus Anlaß des 60. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus, an dem angesichts der geschilderten Lage daran zu erinnern ist, daß es keine "automatische" Sicherung gegen die Wiederholung eines faschistischen Regimes auf deutschen Boden gibt, falls und soweit die ökonomische Krise im monopolkapitalistichen ökonomischen System sich steigert. Mit dem Wegfall der machtpolitischen Stellung des Sozialismus als innerer Kampfbedingung der Arbeiterklasse in der BRD ist auch die gefährliche Illusion immerwährender "Sozialstaatsstabilität" ins Wanken gekommen. Eine tiefe Zäsur in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Kapitalismus hat stattgefunden. Die neoliberale Reaktionsperiode geht einher mit zunehmender Massenarbeitslosigkeit, Lohndrückerei, immer prekäreren Arbeitsverhältnissen, mit dem sukzessiven Einreißen des sozialstaatlichen Gebäudes, mit Umweltkatastrophen, mit Kriegpolitik zur Durchsetzung ökonomischer Interessen, mit einem neuen Banditentum in den internationalen Beziehungen. Es entstehen ähnliche Probleme wie in der Klassenstruktur der Gesellschaft der Weimarer Republik. „Nie erscheint die Krise so tief", meinte Peter Hacks, „wie am Vorabend eines Aufschwungs."
Die wichtigste außenpolitische Gegentendenz gegen einen erneuten Faschismus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges - das internationale Gleichgewicht der sozialistischen und kapitalistischen Staaten in Europa - wurde durch die Konterrevolution beseitigt. Die Spaltung in zwei Klassen wird größer. Die gegenwärtige soziale Polarisierung ist nur der Vorbote einer politischen Polarisierung zwischen Kapital und Arbeit. Doch der subjektive Faktor befindet sich nach wie vor in einer tiefen Krise; er hinkt hinterher. Das darf nicht so bleiben. Aber kann nicht sein, was nicht sein darf? Ist es nicht unsere Sache, das zu entscheiden? Nur - können wir es auch entscheiden? Gehört zu dieser Entscheidung nicht auch, den Antifaschismus in jene Bevölkerungsgruppen hineinzutragen, deren Immunisierung gegen die Einflüsse der bürgerlichen Ideologie die Vorbedingung für den Schutz gegen die Gefahr der Wiederholung des Faschismus ist? Beginnt diese Immunisierung nicht bereits damit, die Terminologie des Gegners: 8. Mai - "Tag der deutschen Niederlage" entschieden zurückzuweisen? Hat diese Zurückweisung nicht auch etwas mit der Frage zu tun, welche Risiken das Monopolkapital mit der faschistischen Machtübernahme eingegangen ist? Und welche Rolle die Faschisten für das Monopolkapital bei der Niederhaltung der Arbeiterbewegung spielten, bevor es sich für diese Risiken entschlossen hat? Stellt sich hier nicht auch die Frage, ob das Monopolkapital zu bestimmter Zeit zweigleisig fährt bei der Vernichtung der bürgerlichen Demokratie: auf dem Gleis obrigkeitsstaatlicher Lösung á la Brüning - letztlich einer Militärdiktatur - und auf dem Gleis der faschistischen Lösung; die entscheidende Zäsur war der "kalte Staatsstreich"?
Der 8. Mai 1945 war gewiß nicht der Tag der deutschen Niederlage, wie es die bürgerliche öffentliche Meinung immer wieder behauptet; die Niederlage hatte ihren endgültigen Ausdruck am 30. Januar 1933 gefunden. An diesem Tag übernahm als Regierung der "nationalen Revolution", wie sie sich nannte, um zu verschleiern, daß keine ökonomisch und sozial herrschende Klasse durch eine andere ersetzt wurde, unter dem Reichskanzler Adolf Hitler die Kombination aus alten wesentlichen Kräften der GEGENREVOLUTION gegen die demokratische Erhebung des deutschen Volkes im November 1918 die politische Macht. Den demagogischen Etikettenschwindel, mit dem die NSDAP ihren Aufstieg bestritt und dann ihren Sieg charakterisierte, um das Zusammentreiben der verzweifelten Mittelschichten und mancher erwerbsloser Proletarier in der Krise zugunsten des Faschismus möglich zu machen, betreibt heute im sächsischen Landtag ganz unverhüllt auch die Nazipartei NPD.
Die Kapitulation des "Dritten Reiches" war nur die Erfüllung des Gesetzes, nach dem es angetreten war: Der Marsch in zwölf Jahre Rüstung, des Verbrechens, des Wahnsinns und des Selbstmords war nur möglich geworden durch die politische Unterstützung und das Geld der deutschen Schwerindustrie und der Großbanken - die Hilfe der Thyssen, Krupp, Siemens und IG Farben, der reaktionären Offizierskaste und adliger Großgrundbesitzer. Er konnte nicht abgewehrt werden, weil diejenigen, die berufen gewesen wären, ihn durch ihren gemeinsamen Kampf unmöglich zu machen, sich so zerstritten hatten, daß dieser Widerstand in den entscheidenden Wochen und Monaten ausfiel.
Der 8. Mai 1945 hätte in ganz Deutschland zum Tag der Befreiung und des Neubeginns werden können, wenn die Siegerkoalition gegenüber dem "Dritten Reich" geschlossen an ihrer ursprünglichen Absicht festgehalten hätte, die sozialen Schichten endgültig zu entmachten, die den Faschismus zu verantworten hatten. Die westlichen Siegermächte haben diese Intention sehr bald preisgegeben und der Restauration der alten Klassenverhältnisse die Bahnen geebnet. So blieb die Befreiung nur begrenzt. Auf diese Weise wurden alle Lasten der Reparationen der sowjetischen Besatzungszone praktisch allein aufgebürdet - mit allen Folgen, die das für die Bevölkerung und also auch die politischen Hemmnisse haben mußte, die auf diese Weise entstanden sind. Aber nur hier fand eine durchgreifende Entnazifizierung statt. Im fundamentalen Unterschied zur BRD waren ehemalige aktive Nazis in der DDR von der Teilhabe an der gesellschaftlichen Macht definitiv ausgeschlossen. Nichts legitimierte die DDR so sehr wie ihr Antifaschismus, der bereits in den Eigentumsverhältnissen verwurzelt war - die Befreiung wurde zu einer Befreiung vom Kapitalismus. Die DDR war die größte Errungenschaft der deutschen Arbeiterklasse - ein Ergebnis 40jähriger opfer- und erfolgreicher Aufbauarbeit für den Sozialismus.
Die Kapitulation des "Großdeutschen Reiches" am 8. Mai war bedingungslos! Sie war erreicht durch den militärischen Sieg der Antihitlerkoalition, nicht durch einen Widerstand des deutschen Volkes. Die Hauptlast des Krieges trug die Sowjetunion und ihre Rote Armee; ihr ist der Sieg über den Hitlerfaschismus zu verdanken. Doch der "blinde Gehorsam", den das gesamte deutsche Volk den Nazis angeblich erwiesen haben soll, wird widerlegt von der langen Reihe furchtbarer Namen, die da lauten: Buchenwald, Oranienburg, Dachau, Mauthausen, Ravensbrück, Belsen, Auschwitz, Börgermoor usw. Die KPD war die einzige große Massenpartei, die einzige große Organisation überhaupt, deren Spitzen keinen Versuch gemacht hatten, sich durch "Anpassung" und Unterwerfung unter das "Dritte Reich" zu retten. Ihre Führer hielten, was die Arbeiter von ihnen erwarteten - sie zeigten Mut und Charakter; so beim Reichstagsbrandprozeß in Leipzig - so Ernst Thälmann. Je mehr der Schleier genommen wird von den inneren Ereignissen in Deutschland während des Krieges, desto deutlicher und lebendiger wird das Bild, das sich abhebt und einen niemals abbrechenden Widerstand der nur allzuwenigen Aufrechten gegen die Nazis zeigt, einen Widerstand, der die allerverschiedensten Formen annahm und in erster Linie von der Arbeiterklasse und den Kommunisten getragen wurde, der aber auch Teile des Kleinbürgertums und der Intelligenz erfaßte. Von nun an empfanden sich die antifaschistischen Restgruppen der alten Arbeiterbewegung in Deutschland, die das Risiko der strengsten Illegalität, in die jemals eine politische Opposition gedrängt worden ist, nicht gescheut haben, überall wieder als Genossen, die sich gegenseitig respektierten. Sie fanden sich auch in Zuchthäusern und Konzentrationslagern zu kooperativen Gruppen zusammen; und kamen sie frei, dann bildeten sie neue Gruppierungen, ohne auf ihre frühere Organisationszugehörigkeit viel Rücksicht zu nehmen. Aber insgesamt war das faschistische Regime noch innenpolitisch stabil, obwohl es militärisch schon lange zum Tode verurteilt war, wie die totale Niederlage bei Stalingrad erkennen ließ. Deshalb konnten die demokratischen und sozialistischen Oppositionsgruppen aus der alten Arbeiterbewegung nicht zur offenen Agitation unter den Massen, der Vorbedingung ihrer unmittelbaren Aktion, vordringen.
Lassen sich Lehren aus der Geschichte ziehen, um zu vermeiden, sie erneut erleben zu müssen? Wir meinen ja! Die größten Feinde der Arbeiterklasse sind die Kapitalisten, die große Bourgeoisie, die Shareholder (die finanzkapitalistischen Spekulanten) und die Lenker der Multis. Sie stehen hinter den Faschisten, wie John Heartfield es in seiner berühmten Fotomontage richtig visualisiert hat. Sie entscheiden, ob eine Gesellschaft faschistisch werden soll, oder nicht. Der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist ausschlaggebend für das Handeln der Arbeiterklasse. Eben daraus gilt es zu lernen!
Solange günstige ökonomische Verhältnisse die Bourgeoisie nicht dazu zwingen, gegen die allerelementarsten Interessen der Arbeiterklasse zu verstoßen, kann sie gestützt auf den Reformismus, mit demokratischen Methoden ihre Herrschaft ausüben. Wenn jedoch eine schwere Erschütterung der kapitalistischen Wirtschaft eintritt, wenn die Krise und die Gier die Bourgeoisie zu einer Offensive gegen die werktätigen Massen treiben, so wird der Reformismus infolge des schwindenden Vertrauens des Proletariats zu ihm eine unsichere Stütze, die Bourgeoisie muß sich nach einer neuen Massenbasis umsehen, und die bietet der Faschismus. Erst in Krisenperioden erlangen faschistische Massenbewegungen große Stärke; sie vermögen sich nur dann zu stabilisieren, wenn sie relativ bald ihren politischen Einfluß mit der Staatsgewalt verschmelzen und durch gemeinsamen Einsatz ihres Terrors dauerhaft garantieren können. Soll aber der Faschismus das Programm der Kapitaloffensive so radikal durchführen, wie es die Bourgeoisie im Interesse ihres Profites verlangt, so müssen alle Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden: demokratische Rechte, Parlament, Arbeiterorganisationen usw. Am konkreten Beispiel der deutschen Geschichte werden Bedingungen erkennbar, die eine Machtübertragung von einem noch halb rechtsstaatlichen politischen System, das zwar bereits seine parlamentarischen Formen zum großen Teil abgestreift hat (wie das seit 1930 stufenweise erfolgt war), aber im übrigen noch in vielen Fragen traditionell fungierte, an eine von allen rechtlichen und humanen Fesseln befreite Diktatur als möglich erscheinen lassen, wenn das ökonomische System monopolkapitalistisch bestimmt ist und sich in einer langfristigen und tiefen Krise befindet; die ökonomische Situation der bürgerlichen Mittelschichten sich aufgrund dieser Krise extrem verschlechtert hat, so daß sie sich von den traditionellen bürgerlichen Parteien abwenden und faschistischen Parteien zuwenden; die Arbeiterbewegung durch eine langfristige Spaltung objektiv kampfunfähig und handlungsunfähig geworden ist, so daß auch Teile ihrer, längere Zeit arbeistlosen Schichten zum Rekrutierungsfeld faschistischer Massenbewegungen werden können. Die faschistische Diktatur bedeutet die Beseitigung jeder politischen und kulturellen Freiheit zum Zwecke der Vorbereitung eines neuen imperialistischen Krieges, die offene brutale Gewalt und die Vernichtung der politischen, gewerkschaftlichen und sonstigen proletarischen Organisationen, also auch das Ende der Sozialdemokratischen Partei; sie ist die Diktatur des Großkapitals, die offene Gewaltherrschaft zum Besten des Kapitals. So charakterisierte Georgi Dimitroff auf dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale (1935) den "Faschismus an der Macht" als "offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals". Gegen die Möglichkeit einer erneuten Wendung zum Faschismus - natürlich in modifizierter Form - kann nur das machtvolle und geschlossene Auftreten der Arbeiterklasse helfen, so daß diejenigen Teile der abhängig Arbeitenden, die in ihrer Verzweiflung dazu neigen, zu den Faschisten überzugehen, politisch an die Arbeiterklasse gebunden werden und die Arbeiterklasse sich zu einer wirkungsvollen Alternative gegen die monopolkapitalistische Herrschaft entwickelt. Doch das Klassenbewußtsein, mit dem noch 1933 gerechnet werden konnte, ist heute politisch viel weniger entwickelt, als es damals zunächst noch war. Dies sollte uns daran erinnern, daß die Machtübergabe an die Faschisten auch gerade die Unbewußtheit der Massen voraussetzt. Dagegen bedarf es eines Vorgehens der Marxisten, das der Freisetzung und Bündelung der organisatorischen Kräfte der Arbeiterklasse vor Ort in ihren alltäglichen Kämpfen mit Tages- und Teilforderungen dient, das den konkreten Zustand der Klasse berücksichtigt, um ihren Kampf für politische Unabhängigkeit zu unterstützen - eine ernste Lehre von damals.
Die Erinnerung an die Leiden des deutschen Volkes im "Dritten Reich" und während des Zweiten Weltkrieges, an den politischen Widerstand gegen die faschistische Diktatur, die imperialistischen Kriegsziele, die Rolle der Sowjetunion und ihrer Roten Armee; die Erinnerung an die Spaltung Deutschlands, die kapitalistische Restauration in Westdeutschland, die antifaschistisch-demokratische Umwälzung in Ostdeutschland, den Kalten Krieg, den realen Sozialismus in der DDR - also an die jeweils unterschiedliche politische Funktion des 8. Mai 1945 - bietet jedoch gerade im antifaschistischen Kampf den Ansatzpunkt dazu, die Widersprüche in der Bewußtseinsentwicklung der Arbeiterklasse zu neutralisieren. Wie aber die Krise der bürgerlichen Herrschaft, wenn sie akut wird, gelöst wird, hängt in beträchtlichem Maße davon ab, ob sich die Kommunistische Partei mit den werktätigen Massen und ihren Kämpfen zu verbinden weiß, oder ob die von der bürgerlichen Demokratie einschließlich der Sozialdemokratie enttäuschten Massen den Stimmungen der politischen Gleichgültigkeit und der politischen Unorganisiertheit zum Opfer fallen. Der weithin stimmungsbestimmende Antikommunismus, verstärkt durch die Totalitarismusdoktrin, und das aggressiv anti-humanitäre Denken sowie die existenten Konkurrenzstimmungen gegenüber ausländischen Arbeitern sind für die Gruppierungen des Monopolkapitals ein leicht verwertbarer Ansatzpunkt für die Agitation zugunsten neuer faschistischer Bewegungen, die sich in großen Teilen der Bevölkerung in einer Situation, in der es um die dauerhafte Liquidation der von der Arbeiterbewegung in mehr als 130 Jahren erkämpften sozialpolitischen Zugeständnisse geht, und mit einer schweren und langfristigen Krise, d. h. der noch stärkeren Abwälzung aller Lasten auf die Werktätigen, gerechnet werden muß, entwickeln können. Der 30. Januar 1933 enthielt einst den 1. September 1939 und den 20. Juni 1941 als unvermeidbare Perspektiven-, und das bedeutete damals mehr als 50 Millionen Tote in Europa und einen zivilisatorischen Rückschlag, der die Welt verändert hat. Er enthielt den 8. Mai 1945 als Perspektive, weil das Unterdrückungspotential des Faschismus in Deutschland so stark war, die Durchdringung der gesamten Gesellschaft so tief, daß eine Selbstbefreiung praktisch unmöglich erschien - und weil es ein imperialistischer Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und die ganze Welt war. Im Oktober 1941 erklärte die Führung der KPD: "Dieser Krieg ist ein für das deutsche Volk hoffnungsloser Krieg. Hitlers Niederlage ist unvermeidlich." Sie hatte 1932 gewarnt: "Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!" Sie hatte 1935 gewarnt: "Der Krieg steht vor der Tür! Hitler treibt Deutschland in die Katastrophe!" Wir werden den 60. Jahrestag der Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus durch die Sowjetunion zum Anlaß nehmen, um daran zu erinnern, welch große Chance sich für das deutsche Volk eröffnete, um ein friedliches und demokratisches Deutschland aufzubauen. Mit Hilfe der Sowjetunion war das in einem Teil - der späteren Deutschen Demokratischen Republik - möglich geworden.
Ein zweiter 30. Januar 1933 würde heute - nach den technischen Veränderungen, die der Zweite Weltkrieg und die biogenetische und mikroelektronische Revolution eingeleitet haben, fast die Gewißheit in sich bergen, daß in allen großen Ländern nicht nur Europas, sondern des ganzen Erdballs der größte Teil der Bevölkerung, die Zivilisation und die Kultur vernichtet würden. Schon vor Ausbruch eines solchen Krieges, in dem ein faschistisches Regime mit seiner unvorstellbar gesteigerten Verantwortungslosigkeit und Inhumanität diese Angriffsmittel zur Verfügung hätte, könnte es mit den modernen Methoden der Überwachungstechnik und der Datenspeicherung seine eigene Bevölkerung so gut kontrollieren, daß illegale Opposition dort fast unmöglich würde und durch die Entwicklung seiner Kommunikationsmittel könnte der Faschismus jeden kritischen Denkprozeß in seinem Bereich fast total unterdrücken. Deshalb: ein wiederholter 30. Januar wäre der Untergang nicht nur Deutschlands und Europas, sondern wahrscheinlich der Welt in der Barbarei und das Ende der menschlichen Geschichte. Die offen terroristische Politik der Bush-Administration deutet diese Richtung an.
a.,t.
Eine mit unsäglichem Leid und viel Blut erworbene Erkenntnis der Arbeiterbewegung besagt: Die Bourgeoisie hat letzten Endes einheitliche Interessen und den Faschismus kann man nur verhindern, wenn man den Kapitalismus beseitigt. Warum er nicht nur das Werk von einigen wenigen Kapitalisten ist, hat Bertolt Brecht auf dem I. Internationalen Schriftstellerkongreß 1935 in Paris ausgeführt:
"Kameraden, denken wir nach über die Wurzel der Übel!
Eine große Lehre...sagt, daß die Wurzel aller Übel unsere Eigentumsverhältnisse sind...Viele von uns Schriftstellern, welche die Greuel des Faschismus erfahren und darüber entsetzt sind, haben diese Lehre noch nicht verstanden, haben die Wurzel der Roheit, die sie entsetzt, noch nicht entdeckt. Es besteht immerfort bei ihnen die Gefahr, daß sie die Grausamkeit des Faschismus als unnötige Grausamkeit betrachten. Sie halten an den Eigentumsverhältnissen fest, weil sie glauben, daß zu ihrer Verteidigung die Grausamkeiten des Faschismus nicht nötig sind. Aber zur Aufrechterhaltung der herrschenden Eigentumsverhältnisse sind diese Grausamkeiten nötig. Damit lügen die Faschisten nicht, damit sagen sie die Wahrheit. Diejenigen unserer Freunde, welche über die Grausamkeiten des Faschismus ebenso entsetzt sind wie wir, aber die Eigentumsverhältnisse aufrechterhalten wollen oder gegen ihre Aufrechterhaltung sich gleichgültig verhalten, können den Kampf gegen die so sehr überhandnehmende Barbarei nicht kräftig und nicht lang genug führen, weil sie nicht die gesellschaftlichen Zustände angeben und herbeiführen helfen können, in denen Barbarei überflüssig wäre. Jene aber, welche auf der Suche nach der Wurzel der Übel auf die Eigentumsverhältnisse gestoßen sind, sind tiefer und tiefer gestiegen, durch ein Inferno von tiefer und tiefer liegenden Greueln, bis sie dort angelangt sind, wo ein kleiner Teil der Menschheit seine gnadenlose Herrschaft verankert hat. Er hat sie verankert in jenem Eigentum des einzelnen, das zur Ausbeutung des Mitmenschen dient und das mit Zähnen und Klauen verteidigt wird, unter Preisgabe einer Kultur, welche sich zu seiner Verteidigung nicht mehr hergibt oder zu ihr nicht mehr geeignet ist, unter Preisgabe aller Gesetze menschlichen Zusammenlebens überhaupt, um welche die Menschheit so lang und mutig verzweifelt gekämpft hat.
Kameraden, sprechen wir von den Eigentumsverhältnissen!"
KL. B. NR. 7288: "Die SS war verjagt und hatte das Feld geräumt. Die Wachtürme und andere wichtige Stellen waren von bewaffneten Häftlingen besetzt. Am Nachmittag des 11. April erfolgte nach einer Ansprache des Lagerältesten Hans Eiden die Übernahme des Lagers durch das Lagerkomitee und noch am späten Nachmittag fand die erste legale Sitzung statt. Der 12. April brachte den großen Freiheitsappell.
Am 13. April erfolgte die Übernahme des Lagers durch amerikanische Truppen. Eine der ersten Maßnahmen des amerikanischen Kommandanten ist der Befehl zur Abgabe der Waffen und des mit einem höhnischen Grinsen seitens der Häftlinge entgegengenommen Verbotes zum Verlassen des Lagers.
In den nächsten Tagen organisierten sich die sozialdemokratischen und kommunistischen Kameraden, ausgehend von vorher gegebenen illegalen Formen, desgleichen die Gruppen der einzelnen Nationen. Am 19. April findet die Totenfeier statt und es erfolgt der 'Schwur von Buchenwald'...Buchenwald hatte die Menschen, die dort lebten und soweit sie überlebten, gelehrt, daß es notwendig und auch möglich ist, Widerstand zu organisieren und selbst wesentlich zur Befreiung beizutragen..."
Aus: Die Glocke vom Ettersberg; Mitteilungsblatt der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora (I. / 1975)
21.000 Häftlinge schworen am 19. April 1945:
"Wir Buchenwalder, Russen, Franzosen, Polen, Tschechen, Slowaken und Deutsche, Spanier, Italiener und Österreicher, Belgier und Holländer, Engländer, Luxemburger, Rumänen, Jugoslawen und Ungarn kämpften gemeinsam gegen die SS, gegen die nazistischen Verbrecher, für unsere eigene Befreiung.
Uns beseelte eine Idee:
Unsere Sache ist gerecht -
Der Sieg muß unser sein!
Wir führten in vielen Sprachen den gleichen harten, erbarmungslosen, opferreichen Kampf, und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende.
Noch wehen Hitlerfahnen!
Noch leben die Mörder unserer Kameraden!
Noch laufen unsere sadistischen Peiniger frei herum!
Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens:
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel..."
Es war im Sporthaus Ziegenhalsam Krossinsee. Hitler hatte bereits die Macht ergriffen und seinen blutigen Terror begonnen. Hier trafen sich am 7. Februar 1933 führende Funktionäre der KPD, um die entstandene Lage zu analysieren und Kampfmaßnahmen zu beschließen.
Die Bedeutung dieser bereits illegalen Tagung besteht in der Fixierung der nächsten Parteiaufgaben unter total veränderten Bedingungen und in der Orientierung des antifaschistischen Widerstandes. Die Herstellung der Aktionseinheit aller antifaschistischen Kräfte war nunmehr die Aufgabe, der alle anderen unterzuordnen waren. Ernst Thälmann hatte bereits 1932 gewarnt: "...wer Hitler wählt, wählt den Krieg!"
Er rief nunmehr in letzter Minute zum Generalstreik auf, erklärte aber auch gleichzeitig: "Das bedeutet nicht, daß der Sturz der Hitlerregierung und der Sieg der proletarischen Revolution unbedingt ein und dasselbe sein muß."
Hierin liegt die nationale Bedeutung der Rede Thälmanns für das ganze deutsche Volk und gab seinem antifaschistischen Kampf die Orientierung, die jeder mittragen konnte.
Ernst Thälmann wurde zum Symbol des internationalen Widerstandes gegen den Faschismus. Trotz unermeßlicher Opfer, verheerender Einbrüche in ihren Reihen brach der Widerstand der Kommunisten nie zusammen., auch nicht in Zeiten des Nichtangriffspaktes mit der Sowjetunion. Keine andere Partei, es gab keine anderen Widerstandsgruppen, als die der Kommunisten, die es zustande brachten, unentwegt einen 12jährigen Kampf zu führen.
Die Bürger der DDR, vor allem die junge Generation ehrten Ernst Thälmann und seine Genossen dafür, indem sie den damaligen Tagungsort zur "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" in Ziegenhals unter Denkmalschutz stellten, zum einen zur Mahnung und zum anderen als "Hort der Wahrheit" (Seibt), die Lehren aus der Geschichte zu vermitteln.
Die Gedenkstätte wurde auch als solche von der Regierung der BRD anerkannt und unter Schutz gestellt. Antifaschisten gründeten den "Freundeskreis Ernst-Thälmann-Gedenkstätte e. V.", gestalteten und pflegten, ohne irgendwelchen staatlichen Mittel zu erhalten, die Gedenkstätte, so daß hier jährlich drei öffentliche Veranstaltungen stattfinden konnten und fortwährend viele Hundert in- und ausländische Besucher Zugang fanden.
Die politischen Gegner, Mitläufer, Anpasser, Rowdys ließen nichts unversucht, die Gedenkstätte zu zerstören und zu beseitigen. So wurde seit 1989 / 90 u. a. eine Gedenktafel entwendet, die von dem sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel gestiftete Büste im Vorhof der Gedenkstätte, in den angrenzenden See "entsorgt" usw.
Der langjährige Vorsitzende des Freundeskreises Genosse Heinz Schmidt kämpfte unentwegt und selbstlos für den Erhalt der Gedenkstätte. Auch hier galt es, die Geschichte aufzuarbeiten, ohne dabei gewissenlos zu handeln - ein Prozeß, der nach wie vor mit mancher herben Enttäuschung verbunden ist: Dabei sollte es für jeden Historiker selbstverständlich sein, Geschichtsvergessenheit nicht zuzulassen.
Unsere Parteigruppe hatte 2001 die Gedenkstätte zum Kennenlernen besucht und in der Folge zu den jährlichen Gedenkveranstaltungen Blumen im Ehrenhof niedergelegt. Damals hatten wir aber nicht erwartet, daß die ganze Gedenkstätte auf dem Weg der Privatisierung des früheren Volkseigentums trotz Denkmalschutz an einen Staatsbeamten der Landesregierung Brandenburg verschachert werden würde.
Als das geschah im November 2002 erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Als sich aber auch internationaler Protest erhob, machte der neue Besitzer einen teilweisen Rückzug.
Auf der Kundgebung am 6. Februar d. J. forderten die Teilnehmer die Regierung auf, diesen historisch authentischen Ort für die heutigen und für künftige Generationen zu erhalten, zu pflegen und der Öffentlichkeit wieder zugängig zu machen; sie forderten, daß der Freundeskreis, der sich um diese Stätte so verdient gemacht hat, sie weiterhin betreut. Das besonders im 60. Jahr der Befreiung vom Hitlerfaschismus und in einer Situation der sich bis in die Parlamente ausbreitenden nazistischen Kräfte - nicht nur in Deutschland - sowie des rigorosen Sozialabbaus und der kriegsunterstützenden Politik.
Die führenden regierenden Politiker der BRD und des Landes Brandenburg und die amtlichen Zuständigen für Denkmalschutz, damit für diese historische Gedenkstätte, wurden offiziell zur nächsten Kundgebung anläßlich des 119. Geburtstages von Ernst Thälmann eingeladen.
Sollen sie sich an Ort und Stelle mit der national und internationational bedeutsamen Gedenkstätte vertraut machen und ihren massenhaften verbalen antifaschistischen Bekenntnissen in diesen Tagen Taten folgen lassen - dabei den herausragenden antifaschistischen Kampf deutscher Kommunisten von Anfang an - zu einer Zeit, als noch Zeit war Hitlers Machtantritt zu verhindern - gebührend würdigen.
Wir Genossen der Leipziger DKP-Gruppe vergessen nicht die Worte Ernst Thälmanns: "Es ist der Bourgeoisie ernst damit, die Partei und die ganze Avantgarde der Arbeiterklasse zu zerschmettern. Sie wird deshalb kein Mittel unversucht lassen, um dieses Ziel zu erreichen."
Kurt Walther
Die nazifaschistische NPD, die für Skandale im sächsischen Landtag sorgt, kann sich der Unterstützung aus anderen Fraktionen sicher sein. Die importierten braunen Äpfel verderben die ganze Horde. Das ist ihr Geschäft. Denn wie die geschichtliche Erfahrung zeigt, liegt der Schwerpunkt faschistischer Parteien nicht im Parlament, sondern in der Hilfe für das Großkapital bei der Verschärfung seiner außerparlamentarischen Angriffe gegen die abhängig Arbeitenden; in der Unterbindung des Alltagskampfes - letztlich in der Zertrümmerung der Arbeiterorganisationen. Die NPD hat sich konsequent an ihr Vorbild, die NSDAP, gehalten, als ihre Abgeordneten am 21. Januar demonstrativ aus dem Parlament auszogen. Landtagspräsident Iltgen (CDU) hatte zu einer Schweigeminute für die "Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" aufgefordert. Zu dem Gedenken sollte Alterspräsident Cornelius Weiss (SPD) im Namen aller Fraktionen auffordern. Die Nazifaschisten zogen unmittelbar vor Eröffnung der Sitzung einen Eilantrag für eine Schweigeminute für die Opfer der Dresdener Bombennacht aus der Tasche. Das Vorhaben von Weiss wurde vermutlich aus den Reihen der CDU an die NPD weitergegeben. Weiss entgegnete, was zu entgegnen war: "Das sich die Geschichte nicht wiederholt, das und nichts anderes ist das Vermächtnis von Dresden, die Lehre aus jener furchtbaren Nacht vor 60 Jahren."
Die Unterstützung der Nazipartei durch Abgeordnete der CDU wurde schon vorher wahrgenommen. Am 10. Dezember 2004 fand die Landtagsdebatte über ein von der PDS beantragtes Programm gegen rechtsorientierte Einstellungen statt. Offen trat die CDU als Förderer faschistischer Ideologie auf, indem der Abgeordnete Rohwer die Vergasungen in den KZs mit Geschehnissen an der Berliner Mauer verglich und höhnend feststellte: "Die alten Genossen würden am liebsten wieder Jugendweihefeiern an der 'Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald' durchführen." Bei einer Abstimmung am 10. Februar zur Verhinderung von NPD-Treffen im Parlament erhielt die faschistische Partei wiederum zwei Extrastimmen. Das gleiche Spiel wiederholte sich am Vortage, als über die Ausländerbeauftragte, Friederike de Haas (CDU), abgestimmt wurde.
Daß mit einem Verbot der NPD, trotz ihres kriminellen Charakters, nicht zu rechnen ist, darf als symptomatisch für die Verhältnisse in der BRD gelten. Die politische Vorgeschichte des Jahres 1933 hat auch für den blindesten Beobachter erkennbar gemacht, daß eine faschistische Partei gerade die Funktion hat, in einer Lage, in der die "normale" politische Rechte sozial bedrohten Schichten unmittelbar verantwortlich erscheint für soziale Restriktionen, Massen, die vorher den "demokratischen" bürgerlichen politischen Parteien folgten, unter dem Schein der Nichtverantwortung für solche Maßnahmen des Monopolkapitals und seiner Regierung zum Instrument des Angriffs auf ihre eigenen, von der Arbeiterbewegung erkämpften Rechtspositionen zu machen. Wer martialisch im Landtag verkündet, er nehme "den Kampf gegen die Schuldknechtschaft des deutschen Volkes" auf, marschiert genau in diese Richtung. Und wie damals schon, handelt es sich auch heute um kein "deutsches Phänomen".
Cornelius Weiss als sozialdemokratischer Fraktionsführer greift selbst vom reformistischen Standpunkt aus entschieden zu kurz, wenn er meint, die fünf anderen Fraktionen hätten "eine Menge wundervoller Möglichkeiten im Koffer", um die NPD bloßzustellen. Das ist die alte Illusion - den neoliberalen Sozialraub durchführen, ohne in den Augen der Wähler schuldig zu werden. Peter Porsch (PDS) sieht den Faschismus aus "der Mitte der Gesellschaft" kommen, die er von links erreichen will. Der Riß ginge durch alle Fraktionen! Die ganze Debatte wirkt ziemlich hilflos. Wir sollten sie zum Anlaß nehmen, um den Arbeitern zu erklären, welcher Art die Gegensätze sind, die sich hier auf der politischen Bühne zeigen, daß sie sich über ihr eigenes Vorgehen, ihre eigenen Klassenziele, Klarheit verschaffen müssen.
Nicht gesprochen wird darüber, daß die Politik des "kleineren Übels" nur das Machtbewußtsein der reaktionären Gewalten stärkt und noch das größte aller Übel erzeugt - die Gewöhnung der Massen an Passivität. Nicht gesprochen wird darüber, daß die Erinnerung an den 30. Januar 1933 dazu auffordert, sich über die sozialen Bedingungen Klarheit zu verschaffen, die damals den Sieg des Faschismus möglich machten. Nicht gesprochen - wie sollte auch - wird über den Erdrutsch in der sozialen Lage nach der Beseitigung der DDR, den Kapitalismus, die Machtverhältnisse, die ökonomischen Ursachen für die Enttäuschung und Verzweiflung der Arbeitslosen, Brotlosen, Lohnabhängigen, Jugendlichen, Rentner usw., und darüber, daß in den Parlamentsaktionen nicht der Nabel der Welt zu erblicken ist, sondern, daß es um die Bekämpfung der neoliberalen Politik von Kapital und Regierung durch die Unterstützung des außerparlamentarischen, insbesondere gewerkschaftlich organisierten Widerstandes der abhängig Arbeitenden geht: Erst wenn der Fürst fällt, fällt auch der Mantel!
Wir wollen die Rolle der NPD, der DVU und anderer faschistischer Organisationen nicht überschätzen und so tun, als könne der Faschismus in der BRD jeden Tag vom Himmel fallen - die Faschisten wollen ihn immer, dafür sind sie Faschisten - Anhänger einer verbrecherischen Ideologie; wir dürfen die von ihm ausgehende Bedrohung aber auch nicht verharmlosen - die faschistischen Schläger sind bereits eine akute Gefahr für viele Menschen; die jährliche Zahl der faschistischen Gewalttaten liegt bei ca. 1000, über 100 Morde der Nazis gehören seit 1990 dazu. Worch ruft am 1. Mai seine Anhänger zum 13. Mal auf, nach Leipzig zu kommen. Die Herrschenden lassen die Faschisten ein "Stück weit von der Kette", um uns abzulenken und zu stören, um uns zu zermürben und zu spalten. Denn in Abwesenheit einer linken Alternative werden auch Teile der Arbeiterklasse in den demagogischen Bann des Faschismus gezogen. Es leuchtet ein, daß sich diese Situation im Falle einer Krise, die 1929 weit übertreffen würde, dramatisch verschiebt. m.,r.
Siehe auch: Christoph Wälz, Nazis wittern Morgenluft, www.sozialismus.info.
"Daß zum Beispiel die Lohnarbeit Fetischcharakter hat, daß heißt: daß einem Arbeitslosen nicht so sehr der Arbeitsplatz, sondern vor allem Geld fehlt, weiß heute infolge der Erinnerung an über hundert Jahre Sozialstaat jeder. Und daß das Kapitalverhältnis auf Ausbeutung fußt, muß man nicht mehr, wie in den Siebzigern, mit Verweis auf die Dritte Welt mühsam herbeideduzieren, weil der Kapitalismus nach dem Umweg über allerlei Sozialkrempel jetzt, da die sozialistische Konkurrenz besiegt ist, weltweit zu sich selber kommt und halt vollbringt, wozu er gut ist: Ausbeuten; Verwüsten, Krieg führen, sich von Krisen durchschütteln lassen, das ganze Programm. Daß er nicht abgeschafft wird, liegt vor allem daran, daß er keine organisierten Gegner mehr hat, die der Rede Wert wären..." Aus einer Rezension von Dietmar Dath in der FAZ über das Erscheinen des dritten Bandes des "Kapitals" von Karl Marx in neuer Edition als Band 15 der MEGA
Wir möchten diese doch recht eindeutigen Ausführungen in einem großbürgerlichen Blatt, das ganz selbstverständlich vom Klassengegensatz ausgeht und natürlich auf der anderen Seite des Grabens steht, nicht unkommentiert lassen. Auf einer Veranstaltung des Marxistischen Forums Leipzig am 1. März zum Thema "Politische Theorie und kapitalistische Produktionsweise" wurde dazu vom Referenten, Prof. Dr. Ekkehard Lieberam, ausgeführt: Im politischen Alltagsdenken der abhängig Beschäftigten sind durchaus Grundeinsichten hinsichtlich des Klassencharakters unserer Gesellschaft nachweisbar. Das ist der Fall: in Bezug auf die Konzentration der politischen Macht bei den Banken und Großkonzernen. Auch hinsichtlich der neoliberalen Politik als Klassenkampf von oben, der anwachsenden Kluft zwischen reich und arm gibt es überwiegend eine wirklichkeitsnahe Sicht. Damit hat es sich dann aber auch schon. Die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise aber bleiben weitgehend im Dunkeln. Es interessiert sich kaum einer dafür. Das war in der Weimarer Republik anders. Zehntausende Arbeiter kamen damals zur MASCH, um sich das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung erklären zu lassen. Marx erwartete, mit Hilfe der Untersuchung im Kapital könnten die Arbeiter zum Bewußtsein ihrer Lage als kämpfende Klasse kommen. Das ist in der Bundesrepublik zumindest weitab jeder Realität. Marxisten sollten aber darüber nachdenken, wie dieser Zustand überwunden werden kann und dafür auch etwas tun. Auf keinen Fall wird er sich spontan, über Nacht ändern. Es ist unsere zentrale Aufgabe als Marxisten, wieder Klartext zu reden, ganz bewußt und gezielt der herrschenden politischen Propaganda und Theorie unsere ganz andere, eben die politökonomische Weltsicht von Marx und Engels entgegenzustellen.
(Prof. Dr. Ekkehard Lieberam arbeitet am Projekt Klassenanalyse@BRD der Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal mit)
Der Nationalökonom Albrecht Müller, Jahrgang 1938, ist zwar nicht der prominenteste, aber wohl der schärfste Kritiker der „Reformpolitik" der Bundesregierung aus den eigenen Reihen. Nach wie vor Mitglied der SPD, einst Redenschreiber von Karl Schiller, Chef des Planungsstabes des Bundeskanzleramtes unter Helmut Schmidt und als Abgeordneter längere Zeit Mitglied des Bundestagsausschusses für Wirtschaft versteht er was von den Dingen. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund. In seinem Bestseller „Die Reformlüge" bezeichnet er die amtierende sozialdemokratisch geführte Bundesregierung als „Rammbock des Neoliberalismus". Der Gemeindesaal der Nicolai-Schule war so auch mit mehr als 100 Interessierten überfüllt, darunter viele Gewerkschafter, als die Friedrich-Ebert-Stiftung Leipzig am 31. Januar zu einer Diskussion mit ihm eingeladen hatte. Ein treuer Schröder-Parteigänger, Heinrich Lehmann-Grube, hatte die Moderation übernommen. Er hielt sich mit kontroversen Einwürfen zurück. Nur am Anfang wurde es etwas peinlich, als er die deutlich im Saal zu hörenden Protestlosungen der Leipziger Montagsdemonstranten mit den Worten kommentierte, er habe gar nicht gewußt, daß es noch solche Demonstrationen in Leipzig gäbe. Müller stellte klar, dass er seine Ausführungen auf keinen Fall als konträr zu dem Anliegen der Montagsdemonstranten mißverstanden sehen möchte. Im Podium saß noch Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Lenk als Korreferent - ein Wessi-Import an der Leipziger Universität, offenbar als neoliberales Gegengewicht zu Müller gedacht. Tatsächlich machte er ihn noch glaubwürdiger. Zurückhaltend in der Form, war er hart in der Sache. Soziale Ansprüche des Einzelnen gegenüber dem Staat behinderten dessen Freiheit. Man müsse eben doch den nicht zu bestreitenden ökonomischen Zwängen Rechnung tragen. Wenn das seine Studenten glauben, dann gute Nacht Deutschland. Unterstützung im Publikum fand er nicht, Protest wenig, aber viel Verwunderung.
Stark war Albrecht Müller dort, wo er den „kollektiven" Wahn und die „40 Lügen", die Mythen und Legenden der Regierenden darstellte und kritisierte Seit fast einem halben Jahrhundert beobachte er die politischen Abläufe. In all diesen Jahren habe er noch keine Zeitspanne erlebt, in der die politische Debatte so von Merkwürdigkeiten und intellektuellen Zumutungen geprägt war wie heute. Alle Politiker und Meinungsführer sagten dasselbe. Unlogik würde hingenommen, so wenn der Chef der Deutschen Bank im Jahre 2003 fragte, ob es nicht nach 50 erfolgreichen Jahren es an der Zeit sei, die Strukturen der Bundesrepublik neu zu entwerfen. Von der Wirtschaft mit vielen Millionen gesponserte „Initiativen" gäben den Ton an. Die Wirtschaft, tatsächlich Exportweltmeister, würde mies geredet. Wir würden über unsere Verhältnisse leben. Löhne runter, länger arbeiten, mit Sparen aus der Schuldenfalle rauskommen. Die Alten seien schuld, daß die Jungen keine Jobs bekommen. Belege für all diese gängigen Thesen würden nie gegeben. Eine kritische Öffentlichkeit, die diesen Namen verdient und dagegen hält, gäbe es nicht mehr. Immer wieder dränge sich ihm der Spruch aus Georg Orwells Buch „1984" auf: „Wenn alle Aufzeichnungen gleich lauten und alle die verbreitete Lüge glauben, dann geht die Lüge in die Geschichte ein und wird Wahrheit."
Albrecht Müller hat seine Grenzen und er hat seine Illusionen. Wo man über die Gesetze des Kapitalismus reden müßte, spricht er von einer falschen Politik. Er sieht ein Konjunkturproblem, wo es um eine Krise des Profitsystems geht. Sein Hauptvorwurf an die neoliberale Politik ist nicht so sehr, daß sie ungerecht ist , sondern daß sie „nicht wirkt". Sein Plädoyer für eine konjunkturelle Globalsteuerung nach dem Vorbild der siebziger Jahre ist so auch nicht überzeugend. Aber wirklich kritischen Köpfen aus der politischen Klasse sollten wir immer zuhören, zumal sie so selten sind.
b.
In den reichlich zwei Jahren seit dem letzten Parteitag hat sich die Lage sowohl international als auch im Lande spürbar verschärft: imperialistischer Krieg und Besatzung im Irak einerseits als auch hemmungsloser Sozialraub und zunehmende nazifaschistische Umtriebe hierzulande waren die Eckpunkte dieser Entwicklung. Ist von den Delegierten das, was zu tun war, getan worden? Darüber werden die Meinungen nicht nur in der DKP auseinandergehen. Die 167 Delegierten der 4454 Mitglieder zählenden Partei haben am 12. und 13. Februar in Duisburg (im traditionsreichen Ruhrpott, aber leider nicht im Zentrum der schärfsten sozialen Gegensätze, das in Ostdeutschland zu finden ist) auf ihrer ersten Tagung nach dem Statut den neuen Vorstand gewählt, ein umstrittenes Grundsatzdokument, die "Politische Erklärung", mit großer Mehrheit beschlossen und eine Erklärung "Schluß mit der imperialistischen Besatzung - Für freie Selbstbestimmung des Irak" verabschiedet, deren Endfassung nicht in allen Punkten dem Vorschlag des Parteivorsitzenden entsprach. Der vom Parteivorstand gestellte Antrag "Arbeitsvorhaben der DKP für die Jahre 2005 / 2006 (Handlungsorientierung)" wurde nicht behandelt und an den Vorstand zurückverwiesen. Ein umfassendes Bild von der Debatte, in der inhaltlich kontrovers diskutiert wurde, werden die Parteimitglieder aber erst bekommen, wenn das Protokoll des Parteitages veröffentlicht ist.
Wurde auf dem 16. Parteitag der DKP beschlossen, auf dem nächsten Parteitag ein neues Parteiprogramm zu verabschieden, so wurde nunmehr von der Mehrzahl der Delegierten billigend hingenommen, die entstandene "Lücke" mit der "Politischen Erklärung" auszufüllen, d. h. die Programmfrage um ein weiteres Jahr zu vertagen. Diese Situation der Zurücknahme eines Parteitagsbeschlusses war vermeidbar.
Wie die stellvertretende Parteivorsitzende auf dem Parteitag erklärte, wird der Parteivorstand den von einer Autorengruppe erarbeiteten Entwurf für das neue Parteiprogramm nach einer kurzen Überarbeitungsphase veröffentlichen. Es bleibt zu wünschen, daß es gelingt, in qualifizierter Weise, d. h. mit Argumenten, die für alle Mitglieder in ihrer Substanz erfaßbar sind, über die Standpunkte zu diskutieren, die die Kennzeichnung der heutigen monopolkapitalistischen Gesellschaft und ihres Entwicklungsganges, die sich daraus ergebenden Ziele der DKP und die Mittel betreffen, welche zu ihrer Verwirklichung führen können.
Als Vorsitzender der DKP wurde der Genosse Heinz Stehr wiedergewählt; als Stellvertreter die Genossin Nina Hager und der Genosse Rolf Priemer. Die DKP-Gruppe Leipzig gratuliert auch dem Genossen Jürgen Voigt aus Sachsen zu seiner Wiederwahl als Mitglied des Parteivorstandes.
Karl-Heinz Reinhardt, Vorsitzender der DKP-Gruppe Leipzig
Josef Bergmann, (von seinen Genossen „Pep" genannt) ein kommunistisches Urgestein, ist in Hamburg im Alter von 91 Jahren gestorben. Der Tod dieses vorbildlichen, völlig uneigennützigen, über ein großes Wissen verfügenden, stets um Rat und Tat vor allem für seine jungen Genossen bereiten Arbeiterfunktionärs reißt eine nur schwer zu schließende Lücke. Denn solche „Alten" verkörperten wertvolle Erfahrungen aus der Geschichte der kommunistischen Bewegung unseres Landes, konnten sie bewahren und weitergeben. Und das hat doch eine andere Qualität als die Aneignung solcher Lehren anhand von Aufsätzen und Büchern.
In seinem Lebenslauf spiegeln sich die Prozesse, die Kämpfe, Niederlagen, auch die Fehler der deutschen kommunistischen Bewegung.
In den Jahren der Weimarer Republik als Schüler bereits sich sozialistisch und kommunistisch organisierend erkannte er frühzeitig die von der Nazipartei und den hinter ihr stehenden Kräften aus Kapital und Junkertum ausgehenden Gefahren. Er schätzte sie ernsthafter ein als KPD und Komintern. Darum wandte er sich gegen linkes Sektierertum, gegen die falsche Sozialfaschismus-Konzeption, trat er entschieden für die Einheitsfront der Arbeiterschaft ein, jedoch ohne die Augen vor der Politik der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer zu verschließen. Doch führte ihn die Kritik an der Politik der KPD-Führung zum Bruch mit der Partei und zum Anschluss an die Oppositionskräfte um Heinrich Brandler und August Thalheimer, die, ihrer kritischen Haltung zum linken Sektierertum wegen, von der Komintern und der KPD-Führung als Rechtsabweichler gebrandmarkt wurden.
Bergmann kämpfte im skandinavischen Exil gegen die Nazidiktatur und kehrte 1946 in die Westzonen zurück, wo er wieder der KPD beitrat. Er wurde als Kominternagent denunziert und in dem von der britischen Besatzungsmacht übernommenen ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme inhaftiert, zusammen mit ca. 2500 Nazis, die zur Überprüfung interniert waren – Protest aus der Labour-Party erwirkte seine Befreiung.
Die Reaktion auf den Kalten Krieg, auf die nationale und internationale Zusammenballung der antisozialistischen Kräfte, auf die Politik des Zurückrollens des Sozialismus bewirkte eine erneute linke Wendung in der Politik der sowjetischen Führung und ihr folgend der SED und KPD. Dies führte auch dazu – im Gefolge der sog. Tito-Affäre - „alte Rechnungen" wieder hervorzuholen und Genossen, die einst in der KPD-O gewirkt hatten, zur „Rechenschaft" zu ziehen. In diesem Zusammenhang wurde Josef Bergmann 1948 aus der KPD ausgeschlossen.
Er trat jener Gruppe bei, die unter dem Namen „Arbeiterpolitik" 1948 gegründet wurde und wirkte in ihr fortan als die prägende Gestalt.
Als aktiver Gewerkschafter, als Internationalist, der stets solidarisch handelte, war er führend und organisierend an Arbeiterkämpfen beteiligt und trat überzeugend gegen jegliche Versuche auf, die alten ultralinken Fehler in der Gewerkschaftsarbeit zu wiederholen.
Wir sprechen den Genossen von der „Arbeiterpolitik", deren prägende Gestalt er war, unser Mitgefühl aus. Pep - ein Leben in der Arbeiterbewegung und für die Arbeiterbewegung.
"Die herrschende Klasse Deutschlands, die in der Wirtschaftskrise ab 1928 die Nazis kaufte und ihnen die politische Macht übergab, um die wirtschaftliche Macht erhalten zu können, hat nach der Niederlage im 2. Weltkrieg, gestützt auf die Siegermächte und mit Beihilfe der SPD und der Gewerkschaftsführungen, ihr Überleben und dann ihren Wiederaufstieg gesichert. Nach den Entbehrungen und Verlusten der Bevölkerung im Krieg mußte die gesellschaftliche Auseinandersetzung, d.h. der Bürgerkrieg, verhindert werden. Das ist der herrschenden Klasse gelungen und zeugt davon, welchem Klassengegner die Arbeiterklasse heute gegenübersteht."
Ein massiver Lohnraub findet bei den Beschäftigten der LVB statt - 300 von ihnen demonstrierten im vergangenen Jahr vor der Unternehmenszentrale als die "Insolvenz" (Deckname für beabsichtigten Verkauf) in Aussicht gestellt wurde. Bei den Eisenbahnern in Leipzig, Beschäftigte der DB AG, ist es ähnlich, nur demonstrierten sie nicht - obwohl der Personalbestand im Zuge des "Bahnreform" (Deckname für Privatisierung und Börsengang) um über 250.000 reduziert wurde; ein Ende ist nicht in Sicht.
Nur scheinbar auf einer anderen Ebene liegen die Aktionen der Leipziger Studenten gegen die Studiengebühren. Am 3. Februar demonstrierten 8000 in der Innenstadt. Die Herrschenden handeln natürlich im Sinne des Kapitalismus, wenn sie Maßnahmen ergreifen, die das Bildungsniveau immer mehr senken. "Soziale Gerechtigkeit" an den Hochschulen würde heißen, daß es keine Klassenauswahl gibt, weil das Studium vom Staat bzw. von der Gesellschaft finanziert wird, ohne höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel zu bestreiten. Weder der abhängig Arbeitende noch der Student - der nebenbei in großer Anzahl auch als abhängig Arbeitender jobt - hat in der kapitalistischen Gesellschaft der BRD einen gerechten Ausgangspunkt, denn über "soziale Gerechtigkeit" entscheidet die politische Ökonomie, nicht das Bundesverfassungsgericht. Auch besser gefütterte Sklaven bleiben Sklaven, merkte Karl Marx an, auf den sich die Studenten u. a. beziehen. Aber heute werden sie immer schlechter gefüttert.
Deshalb geht es darum, den Widerstand gegen den Lohnraub, von dem die Studiengebühren ein Ableger sind, zu organisieren. Da gibt es nach dem Willen der Herrschenden kein Licht am Ende des Tunnels. Für ihre wirtschaftlichen Kämpfe verfügen die Lohnabhängigen aber über keine andere Organisation als die Gewerkschaften. Bei der Bahn haben sie kapituliert, bei der LVB haben sie kapituliert. Die größte Bahngewerkschaft TRANSNET gehört zum DGB, ver.di auch. Die DGB-Spitze hat inzwischen offen Bankrott angemeldet. Michael Sommer beruft sich auf den Kapitalismus und die Zustimmung der Mehrzahl der Mitglieder des DGB bzw. der zu ihm gehörenden Gewerkschaften; weshalb sie dramatisch an organisatorischer Stärke verlieren - zur Freude der Unternehmer. Es wurde sogar eine "vertrauliche" Studie erstellt, die den neoliberalen Kurs der Bundesregierung unterstützt.
Allerdings, die Gewerkschaften sind die unverzichtbare organisierte Defensive gegen die Wirkungen des kapitalistischen Lohngesetzes. Für die Auswüchse des Kapitalismus ist dieser selbst verantwortlich. Die Massenarbeitslosigkeit vertieft die Schwäche der Gewerkschaften. Ihre Sisyphusarbeit kann sich nur in den Betrieben vollziehen. Die Konkurrenz unter den Lohnabhängigen, die durch Hartz IV, die ungebrochenen Rationalisierungswellen, Standortschließungen, Lohnabbauwellen, unbezahlten Arbeitszeitverlängerungen und Ein-EURO-Jobs verstärkt wird, bringt selbst kämpferischste Gewerkschafter fast zur Verzweiflung. Die Privatisierung als staatlich gesteuerter Enteignungsprozeß, insofern es sich um öffentliches Eigentum handelt, tut ihr übriges. Das Lohnniveau sinkt dramatisch - und ein Faktor dieses Niveaus ist eben auch das kulturelle Niveau.
Natürlich gäbe es für die Gewerkschaften einen Ausweg. Sie könnten die zunehmende Härte des wirtschaftlichen Kampfes durch die ergänzende Unterstützung des politischen Kampfes kompensieren. Das würde Zusammengehen, Forderungen an den Staat - Verteidigung der Rechte der abhängig Beschäftigten -, Ablassen von der "Sozialpartnerschaft" - die das Kapital eh aufgekündigt hat -, Entwicklung des Klassenbewußtseins, Ablassen von der Unterstützung neoliberaler Parteien usw. bedeuten. Es gibt nämlich noch eine andere Seite des kapitalistischen Lohngesetzes - diejenige, daß mit dem Fortschritt der Produktivität die Schere zwischen arm und reich immer größer wird. Das kann keine Gewerkschaft verhindern: Es schien nur so, solange es den Sozialismus gab: Der FDGB saß mit am Verhandlungstisch. Stellen sich die Gewerkschaften aber mit an die Spitze dieser Kämpfe, setzen sie ihre gefährlichste außerparlamentarische Waffe - den Streik - ein, dann können sie im Rahmen ihrer Defensivposition als Organisation der Klasse, die über keine wirtschaftlichen Machtpositionen verfügt, durchaus offensiv werden.
Doch die Gewerkschaftsspitzen betreiben Propaganda gegen die Möglichkeit, die Kolleginnen und Kollegen zu mobilisieren, durch Aufklärung eine Basis der Gewerkschaft nicht nur in den Belegschaften, sondern auch in der Bevölkerung herzustellen. Zwischen dem TRANSNET-Vorstand und dem Vorstand der DB AG z. B. existiert ein regelrechtes Stillhalteabkommen, solange die Gewerkschaftsspitze macht, was das Kapital in Gestalt von Mehdorn will. Aber auf über 150 Basisdialogen gab es sehr eindeutige für die TRANSNET-Führung überraschende Kritik. Bei ver.di ist es nicht anders. Stellt sich die Frage, ob die Kolleginnen und Kollegen die Kapitulationsstrategie für richtig halten oder so fassungslos, erschöpft und aufgerieben sind, daß es oftmals scheint, als hätten sie jede politische Initiative verloren.
Gegen die Anpassung lehnen sich die linken Gewerkschafter auf - auch bei ver.di -, die nicht so heißen, weil sie ein bestimmtes Parteibuch besitzen, sondern weil sie Gewerkschaften wollen, die klassenkämpferisch sind. Wir sollten ihre Vernetzung unterstützen, indem wir immer wieder deutlich machen, daß die Kampfkraft der abhängig Beschäftigten nicht zu entwickeln ist, wenn sie sich dem Kapital unterordnen sollen, wenn sie Forderungen verteidigen sollen, die gegen ihre Interessen gerichtet sind - wie bei der LVB die Kürzung des Lohnes um mindestens 170 EURO oder bei der Bahn die Senkung der "Ausgaben für Arbeit" um 5,5 Prozent, die unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit, die Lohnkürzung bei einer Arbeitszeit von 38 Stunden pro Woche, die Beschäftigungssicherung auf der Grundlage des Auseinanderreißens der Familien und der Herabstufung um mehrere Gehaltsgruppen usw.
Es ist eine alte Erfahrung: Gewerkschaften werden unweigerlich wieder kämpferisch, werden Gegenmacht, wenn sie aufhören, Staatsdiener oder / und Unternehmensdiener zu sein. Ihre Aufgabe ist es, die Arbeiterklasse - unabhängig von den Strömungen - zur Sicherung und Verbesserung ihrer materiellen Existenz zu vereinigen - das macht den Sinn der Einheitsgewerkschaft aus. Vertrauensleute, Gewerkschaftssekretäre, Betriebsräte, die in diesem Sinne auftreten, verdienen unsere Unterstützung. Als Gewerkschafter sollten wir vor allem die Widersprüche deutlich machen, die innerhalb der Gewerkschaften existieren. Entschieden sollten wir Tendenzen entgegentreten, große Programme zu machen, aber dabei die Klassensituation in der BRD unberücksichtigt zu lassen; die Gewerkschaften sogar von den Belegschaften, den sozialen Bewegungen und den Arbeitslosen zu isolieren.
Ohne die Unterstützung der gewerkschaftlichen Kämpfe, mögen sie noch so unentwickelt sein, werden aber auch die Aktionen der Studenten sehr begrenzt bleiben hinsichtlich ihrer Wirkung. Einige von ihnen haben das erkannt - sie nehmen an diesen Kämpfen teil.
Bleibt die Frage nach einem Forum der Gewerkschaftslinken in Leipzig, das diesen Namen verdient. Ein solcher Kreis aktiver Gewerkschafter könnte dann eine Bedeutung in der Stadt haben, wenn er die betriebliche und gewerkschaftliche Situation in Leipzig in den Mittelpunkt der Diskussionen stellt. Das wäre unbedingt zu unterstützen.
f. g.
Siehe auch: www.bahnvonunten.de; www. netzwerk-verdi.de
Kritische Stimmen in der Gewerkschaft ver.di kennzeichnen den Abschluß des neuen Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) als arbeitnehmerfeindlich und undemokratisch. Beides deshalb, weil er die materiellen Interessen der abhängig Beschäftigten unberücksichtigt läßt. Zugestimmt wird: langfristiger Reallohndrückerei, neuen Niedriglöhnen, Leistungslöhnen aus dem bisherigen Lohn- und Gehaltsvolumen, Arbeitszeitflexibilisierung im Unternehmerinteresse, Abschaffung von Familienzuschlägen, Senkung von Überzeitzuschlägen, Öffnungsklauseln zur Verlängerung der Arbeitszeit, Verzicht auf den Flächentarifvertrag. Aber am 12. Dezember 2004 verkündete Frank Bsirske vollmundig: "...sicherlich wird es keine Verlängerung der Arbeitszeit geben und keine Nullrunde!" Eine Urabstimmung unter den Mitgliedern der Gewerkschaft fand nicht statt. Die proletarische Kampforganisation wird dem neoliberalen Ordnungsfaktor geopfert. Unbezahlte Arbeitszeitverlängerung bedeutet Lohnsenkung und Arbeitsplatzabbau. Warum, das hat Karl Marx im Band I des "Kapital" ausgehend von den ökonomischen Gesetzen des Kapitalismus unwiderlegbar begründet. Wir erleben es praktisch.
Notwendig ist das Bündnis der Gewerkschaften mit den weit über 5 Millionen offiziellen Arbeitslosen, der Kampf für eine radikale Senkung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich. Statt dessen gesteht das Comanagement um Frank Bsirske mittels Tarifvertrag, d. h. mittels einer Übereinkunft, die nur ein Waffenstillstandsabkommen bedeuten darf, die unbezahlte Arbeitszeitverlängerung für Arbeiter und Angestellte des Bundes auf 39 Stunden pro Woche und die Möglichkeit der 40-Stunden-Woche auf Landesebene zu.
Angesichts dieser Situation ist es nur verständlich, daß sich unter den politökonomisch rationell denkenden Gewerkschaftern die Forderung nach einer starken innergewerkschaftlichen Opposition, die nichts mit der falschen RGO-Taktik zu tun hat, weiter verdichtet. Sie deckt den Antagonismus zwischen Comanagement und Arbeitnehmerinteressen auf. Dem maßgeblichen Funktionärskörper von ver.di ist der soziale und politische Adressat - trotz Warnstreiks - abhanden gekommen!
A. T.
"Die Ungeduld verlangt das Unmögliche, nämlich die Erreichung des Ziels ohne die Mittel.
" Phänomenologie des Geistes, Vorrede.
Menschenbienen, die Natur,
Gab sie euch den Honig nur?
Seht die Drohnen um euch her!
Habt ihr keinen Stachel mehr?
Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.
Deiner Dränger Schar erblaßt,
Wenn du, müde deiner Last,
In die Ecke lehnst den Pflug,
Wenn du rufst: Es ist genug!
Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Not der Sklaverei!
Brecht die Sklaverei der Not!
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!
Aus: Georg Herwegh, Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (1863)
Der Internationale Frauentag hat eine kampferfüllte Geschichte. Er ist hervorgegangen aus den Kämpfen der internationalen proletarischen Frauenbewegung und untrennbar mit den Namen von August Bebel ("Die Frau und der Sozialismus") und Clara Zetkin (II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen 1910) verbunden. Die Frauenbewegung, die eine eigene soziale Grundlage hat, kann nur erfolgreich sein, wenn sie sich mit der Emanzipationsbewegung der Arbeiterklasse vereint. Warum das so ist, hat mit unverminderter Aktualität als erster der große französische kritisch-utopische Sozialist Charles Fourier (7. April 1772 - 10. Oktober 1837) in genialer Weise ausgesprochen:
In einer gegeben Gesellschaft ist der Grad der weiblichen Emanzipation das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation.