Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat zum Streik aufgerufen und 95 Prozent der Mitglieder waren dafür. Dieser Umstand macht deutlich, dass die GDL bei den Lokführerinnen und Lokführern stark verankert ist. Soweit bekannt sind etwa 70 Prozent der bei der Deutschen Bahn beschäftigten Lokführer in der GDL organisiert. Sie sind eine der wenige Berufsgruppen, wie auch Piloten oder Fluglotsen, die als kleine Gruppe in großen Unternehmen über eine derartige Machtposition verfügen.
Der Vorstand der Deutschen Bahn AG muss diesem Umstand Rechnung tragen. Schon jetzt hat die DB AG Schwierigkeiten, Erwerbstätige für diese Berufsgruppe zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund und dem zunehmenden Abwälzen der Krisenlasten auf die Beschäftigten sind die Forderungen der Kolleginnen und Kollegen nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen berechtigt.
Richtig ist vor allem auch die Empörung, dass sich der DB Vorstand mit höheren Gehältern die Taschen füllt. Genauso trägt der DB Vorstand eine Verantwortung für die Eskalation in diesem Tarifkampf. Niemand hat das oberste Management gezwungen, das Tarifeinheitsgesetz fünf Jahre nach dessen Einführung anzuwenden. Es sei denn, der Eigentümer – also der Bund – wollte es so. Auch in der Vergangenheit war es möglich Tarifverträge mit zwei Gewerkschaften umzusetzen. Der DB Vorstand macht sich damit zum Handlanger der Herrschenden und deren Regierung.
Die Hauptverantwortung für diese Eskalation tragen die Regierungsparteien CDU und SPD aus zweierlei Gründen:
- Am Zustand der Deutschen Bahn AG tragen beide Parteien – neben Bündnis90/Die Grünen und FDP – die Verantwortung, weil sie die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn 1994 zusammen in einem Unternehmen in Form der Aktiengesellschaft privatisierten. Statt den Ausbau und die Modernisierung des öffentlichen Personenverkehres und der Infrastruktur zu betreiben, ist das Bild gekennzeichnet von maroden Brücken und Streckenstilllegungen. Prestigeträchtige Milliardenprojekte und Streckenvergabe in Verbindung mit Lohndumping an „Wettbewerber“ führen zu Unzufriedenheit und Wut. Das ist der Grund warum das System Schiene nicht mehr reibungslos funktioniert und sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern.
- Mit dem „Tarifeinheitsgesetz“ haben CDU und SPD ein Instrument zur Spaltung der Werktätigen geschaffen. Damit wollen sie nun Erfahrungen sammeln. Wo geht das besser als bei der Bahn? Es tritt genau das ein, wovor die Kritiker dieses Gesetzes gewarnt haben.
Bei allem Verständnis für die Forderungen der GDL und vor allem den streikenden Kolleginnen und Kollegen muss festgehalten werden: Wer die Arbeiterklasse nur in Teilen, in Berufsständen organisiert, der kann die zentrale Aufgabe der Gewerkschaften, die Konkurrenz in der Arbeiterklasse zurückzudrängen, nicht erfüllen.
Notwendig wäre und ist es, dass sich die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die GDL verständigen und diese Spaltung zurückdrehen. Das geht nur gemeinsam und nicht indem man die Gräben vertieft. Letzteres dient nur dem Management der Bahn und dem dahinter stehenden Monopolkapital und seiner Regierung.
Das Tarifeinheitsgesetz muss weg!
Essen, den 12. August 2021