Standpunkte der DKP Leipzig

Debatte in der DKP
zu den politischen Thesen
des Sekretariats des Parteivorstandes der DKP
"Der Weg aus der Krise."


Stellungnahmen zu den politischen Thesen des Sekretariats Parteivorstandes der DKP:


Stellungnahme der DKP Leipzig

Liebe Genossinnen und Genossen

Die vom Parteivorstand erarbeiteten Thesen waren ursprünglich als Grundlage für die Diskussion zum Parteitag vorgesehen. Trotz massiven Widerspruchs wurden sie nicht etwa verworfen. Auf der 9. Tagung des Parteivorstandes wurde dieses Papier inhaltlich aufrecht erhalten. Jetzt soll es auf einer Konferenz im Jahre 2011 dazu dienen, außerhalb des Parteitages eine grundlegende programmatische Kurskorrek-tur auf den Weg zu bringen.
Da es bis jetzt nur Kritik von Einzelpersonen gibt, wollen wir in Sorge um unsere Partei und den Verlauf dieser Debatte, die Landesverbände und Gruppen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem Vorhaben auffordern. Insbesondere gilt dies für die Organisationen der DKP im Osten, denn: Wir haben eigene Erfahrungen mit der Liquidierung der SED. Wir sind weder willens noch bereit, ohne Widerstand zuzusehen, wie die kommunistische Partei, der wir uns angeschlossen haben, auf dem Wege über den reformistischen Mainstream der SED-PDS/PDS/Linke in die SPD in hineingezogen wird.
Es ist unerträglich, wenn der Vorsitzende unserer Partei den Genossen, die den von ihm vertretenen Weg nicht mitgehen wollen, den Rausschmiss ankündigt. Nicht weniger unerträglich ist es, wenn Leo Mayer von denen, die dieses Papier ver-öffentlicht haben, als von einer ‚uns feindlich gegenüberstehenden Gruppe’ spricht.
Das ist nicht die Partei des Vorstandes, sondern der Vorstand der Partei. Es ist höchste Zeit, sich dieser Entwicklung in den Weg zu stellen. Wir fordern alle Mitglieder und die Leitungen unserer Partei auf, sich dafür einzusetzen. Auf Grund unserer Erfahrungen haben wir hier im Osten eine besondere Verantwortung wahrzunehmen.
Nach unseren Vorstellungen sollte noch vor der nächsten Vorstandssitzung im März unseres Bundesvorstandes eine für alle Mitglieder offene Beratung von Vertretern der Landes- bzw. Gruppenleitungen stattfinden, auf der über dieses Problem und unsere Antwort gesprochen und das weitere Vorgehen abgestimmt wird. Wir werden uns in den nächsten Tagen mit Euch in Verbindung setzen und konkrete organi-satorische Absprachen treffen.

Mit kommunistischem Gruß


Kein „Weiter so“!
Zu den „politischen Thesen“ des PV
Hans-Günter Szalkiewicz

Probleme der eigenen Partei in die Öffentlichkeit zu tragen, ist immer mit der Frage nach der eigenen Verantwortung für die Organisation verbunden, die man stark und einflußreich sehen möchte. Das ist nicht nur eine individuelles Bedürfnis, sondern mehr noch eine grundlegende Zielstellung und Bedingung für eine Partei, die sich kommunistisch nennt und diese kapitalistische Welt verändern will. Aber, so könnte man weiter fragen, wäre es dann der Geschlossenheit und dem Erscheinungsbild nicht zuträglicher, ernsthafte Differenzen und Debatten darüber intern zu halten? Die Erfahrungen aus der Geschichte der kommunistischen Parteien besagen, daß das weder realisierbar ist noch ihrer Rolle in der Gesellschaft entspricht. Wenn das grundlegende Ziel der Partei im revolutionären Bruch mit dem kapitalistischen Gesellschaftssystem und der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft besteht und dieses Ziel nur durch ihre Massenverbundenheit und insbesondere durch eine entsprechende Mobilisierung der Arbeiterklasse erreicht werden kann, darf es kein Zudecken theoretischer und ideologischer Probleme geben, muß jegliche elitäre Abschottung verhindert werden. Das den folgenden Bemerkungen voranzustellen, scheint wegen der Dimensionen der sich abzeichnenden Auseinandersetzung in der DKP sinnvoll zu sein.
Auf der 9. Tagung des Parteivorstands im Januar standen „Politische Thesen des 19. Parteitags der DKP“ zur Diskussion und Beschlußfassung. Dieser Parteitag wird im Oktober 2010 stattfinden. Das erklärte Ziel des Sekretariats des Parteivorstands, diese Thesen als Antrag an den Parteitag zu beschließen, wurde aufgegeben und statt dessen beschlossen, sie „als Grundlage für eine breite Debatte in der gesamten Partei und zur Vorbereitung einer theoretischen Konferenz in der ersten Jahreshälfte 2011 zu veröffentlichen.“ Der UZ-Bericht von dieser Tagung trug die Überschrift „Ein ‚Weiter so‘ kann und darf es nicht geben“, eine Formel, der jeder zustimmen könnte (UZ v. 29. 1. 2010, S. 1). Ungewöhnlich war, daß die Korrektur des geplanten Vorhabens auf dieser Tagung erfolgte mit der von Leo Mayer gegebenen Begründung: „Ein knappes Dutzend Genossinnen und Genossen haben uns mitgeteilt, dass sie die vorliegenden Thesen in wesentlichen Inhalten ablehnen und sie fordern das Sekretariat auf, den Entwurf zurückzuziehen bzw. fordern den Parteivorstand auf, den Entwurf zurückzuweisen“ (ebenda, S. 13).
Nun sind Einwände gegen Positionen des Parteivorstands/Sekretariats nicht neu und die Zahl von Mitgliedern, die solche Einwände öffentlich geltend machen, ist wesentlich größer. Siehe das Krisen-Positions-Papier der 84, das bereits seit Wochen breit in der Partei diskutiert wird! Das Neue besteht darin, daß sich unter dem knapp Dutzend Kontrahenten des Sekretariatsvorhabens diesmal so gut wie alle befinden, die Rang und Namen in der Partei und die sich bisher als Stützen der politischen Linie des Parteivorstands erwiesen haben. Jetzt rebellieren nicht nur solche Exoten wie die „selbsternannten Weltverbesserer in Berlin“. Das muß Gründe haben! Der wesentliche ist die politische und ideologische Substanz dieser Thesen. Unter der Überschrift „Der Weg aus der Krise: Der Mensch geht vor Profit - den Kapitalismus überwinden“ wird in vier Kapiteln „Charakter der Krise“, „Politische und gesellschaftliche Entwicklungstendenzen im globalen Kapitalismus, in der Europäischen Union, in Deutschland“, „Arbeiterklasse in der Krise“ und „Die DKP in der heutigen Zeit - ihre Aufgabe, ihre Rolle und ihre Organisation“ ein programmatisches Dokument vorgelegt, in dem alles das festgeschrieben wird, was diese Partei - exakter: diese Parteiführung - bisher an Opportunismus und Revision marxistischer Leitsätze hervorgebracht hat. Jetzt wird ein gewisser „Höhepunkt“ dabei erreicht, was sich ideologisch zu entwickeln begann mit der Imperialismusdiskussion Mitte der 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts, was seine Fortsetzung fand in den Auseinandersetzungen zu den SozialismusvorstellungeN GROSSER SORGEtoß, März 2010des Parteivorstands und was schließlich in die Debatte um das Parteiprogramm mündete. Alle Elemente von Revisionismus, die sich in diesen Jahren abzuzeichnen begannen, sind nun in einer Art Neufassung des Parteiprogramms kompakt dokumentiert worden. Welche Problemstellungen im einzelnen dabei eine Rolle spielen, muß späteren Betrachtungen vorbehalten bleiben.
Zu dem, was hier noch Beachtung verdient, gehören die Alternativen und Schlußfolgerungen, die Leo Mayer auf der besagten Tagung des Parteivorstands vorträgt. Er stellt die Frage, ob die Lage der Partei und ihrer Politik so ist, daß sie „mit verschiedenen Mitteln und Aktionen darauf hinweist, dass es uns noch gibt und ansonsten darauf wartet, dass es eine jähe Wendung gibt (...) und wir dann wieder auf der Matte stehen.“ oder ob „die DKP noch so viel intellektuelle Kompetenz besitzt, dass wir uns den Herausforderungen an eine kommunistische Partei in der heutigen Zeit stellen können:“ Zu den Schlußfolgerungen, die er zieht, gehört: „Eine demokratische, offene Debatte ist so, wie geplant nicht mehr möglich, ohne eine organisationspolitische Zuspitzung zu riskieren.“ Damit greift er eine Warnung auf, die schon Willi Gerns bei der Diskussion um das aktuelle Parteiprogramm ausgesprochen hat: Kompromiß oder Spaltung der Partei!
Aber weder die formulierte Alternative noch die beschworenen Konsequenzen treffen den Kern des Problems. Die Frage ist nicht die nach Selbstbeschäftigung oder Wirksamkeit der Partei, sondern die nach ihrem politischen und ideologischen Profil: marxistisch oder opportunistisch. Und auf keinem Fall darf sich die Partei mit der Drohung einer Spaltung die Fortführung theoretischer und ideologischer Kompromisse aufzwingen lassen. Sie haben immer, und nicht nur in der DKP, zur Aufgabe marxistisch-leninistischer Positionen geführt. Obwohl die zur Debatte stehenden Thesen in seltener Einmütigkeit abgelehnt werden, hat sie der Parteivorstand für geeignet befunden, als Grundlage für eine breite Diskussion in der Partei und zur Vorbereitung einer theoretischen Konferenz zu dienen. Wenn das, verbunden mit dem fast schon traditionellen Kunstgriff gelingt, zwischendurch eine politische Resolution auf dem bevorstehenden Partei beschließen zu lassen, bleibt alles beim Alten.: Die oppositionellen Hunde bellen und die Karawane zieht weiter. Auf diese Weise hätte die Partei keine Überlebenschance und sie könnte sich schon jetzt auf der Grundlage der vorliegenden Thesen der Partei DIE LINKE anschließen.

Aus: Berliner Anstoß, März 2010

Kein „Weiter so“!
(2)
Hans-Günter Szalkiewicz

Die kürzlich als Diskussionsangebot veröffentlichten Thesen der Führung der DKP „Der Weg aus der Krise: Der Mensch geht vor Profit - den Kapitalismus überwinden“ werden ein anderes Schicksal haben als ähnliche programmatische Erklärungen vorher, um die auch heftig und kontrovers debattiert wurde, die aber schließlich, manchmal auf Umwegen, in der ursprünglich konzipierten Aussage durch Vorstands- oder Parteitagsbeschluß die politische Linie der Partei bestimmten. Die nach dem Bekanntwerden fast einhellige Ablehung dieser Thesen konnte zwar den Vorstand der DKP nicht veranlassen, sie zurückzuziehen, doch wird jeder Versuch, sie als Grundlage für eine Meinungsbildung in der Partei am Leben zu erhalten, dazu führen, daß entweder die Initiatoren ihren Führungsanspruch bald nicht mehr geltend machen können oder in der Mitgliedschaft eine solche ideologische Polarisierung eintritt, die die Partei zerreißt. Insofern wird die bevorstehende Auseinandersetzung nicht so sehr eine Theoriedebatte im herkömmlichen Sinne sein, sondern mehr ein Kampf um die prinzipielle Korrektur der politischen Linie der Parteiführung. Diejenigen, die bei der eingetretenen Situation erneut die Einheit der Partei beschwören, betreiben objektiv ihre ideologische Zerstörung als kommunistische Kraft. Und so, wie das Versagen der in den sozialistischen Staaten Europas herrschenden Parteien nicht nur ein Desaster für die Kommunisten und Sozialisten, sondern auch eine Katastrophe für den Menschheitsfortschritt war, würde das endgültige Verschwinden einer revolutionären Kraft in Deutschland den Widerstand gegen die verderbliche Politik des deutschen Imperialismus erheblich schwächen. Dabei ist gegenwärtig nicht erkennbar, daß diese Herausforderung den Mitgliedern der DKP bewußt geworden ist. Noch gelingt es, die Problemstellung in der Ebene der die Partei stützenden und sie störenden Kräfte zu halten.
Die Absage an den Marxismus, die unter anderem in der auch von den Kritikern aus der sozialdemokratischen „Ecke“ benutzten These zum Ausdruck kommt, daß „die Hegemonie des Kommunismus in der Arbeiterklasse und in den Bewegungen (...) nicht die Voraussetzung für die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse sein (kann).“? (These 2 im Abschnitt „Die DKP in der heutigen Zeit - ihre Aufgabe, ihre Rolle und ihre Organisation“) folgt dem ideologischen Druck des Gegners. Dabei ist eine der Hauptursachen dieses ideologischen Übels in dem zu suchen, was als ökonomische Theorie von den Initiatoren der besagten Thesen ausgegeben wird .
Als die Frage nach dem Charakter der Partei, die Frage „ob Partei der sozialen Revolution“ oder „demokratische Partei der sozialen Reform“ stand, hat sie Lenin in „Was tun?“ 1902 aus den veränderten ökonomischen Verhältnisse abgeleitet. Seine Analyse führte zu den Konsequenzen, die sich aus dem Übergang vom Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Monopolkapitalismus/Imperialismus ergaben. Also, nicht weil es einem Theoretiker einfiel, sondern weil die objektiven gesellschaftlichen, speziell die ökonomischen, Bedingungen zu einer äußersten Verschärfung der gesellschaftlichen Widersprüche führten, kam er zu dem Ergebnis, vom Beginn der Epoche imperialistischer Kriege und proletarischer Revolutionen zu sprechen und damit die Notwendigkeit revolutionärer Parteien der Arbeiterklasse zu begründen.
Der Konstruktionsfehler des konzeptionellen Gebäudes der agierenden DKP-Ideologen hat seinen Ausgangspunkt in der ökonomischen Theorie. Die These „Im koordinierten Vorgehen der Zentralbanken und in der Abstimmung der vielfältigen nationalen Konjunkturprgramme zeigt sich - bei allen Widersprüchen - eine gewachsene internationale Kooperation, es zeichnen sich „Keimformen eines globalen staatsmonopolistischen Regulierungssystems ab, mit dem die Krisenpotentiale der kapitalistischen Weltwirtschaft und die zwischenimperialistischen Widersprüche in Schach gehalten werden sollen.“ (Programm der DKP)“ ist eine der wesentlichen Aussagen, mit denen der aktuelle Zustand des Imperialismus beschrieben wird. Initiiert und getragen werden sie hauptsächlich von Leo Mayer, dem stellvertretende Parteivorsitzenden, dem langjährigen Betriebsrat bei Siemens, der sein theoretisches Umfeld im „institut für sozial-ökologische wirtschaftsforschung münchen e.V“ hat. Aus den Publikationen dieses „isw“, so auch aus der jüngsten zur Wirtschaftsdemokratie (isw - Reoort Nr. 79, Januar 2010), sind dessen reformistische Grundpositionen erkennbar.
Jetzt aber werden sehr entschlossen die Konsequenzen aus den revisionistischen Elementen der ökonomischen Theorie gezogen. So mit der These: „Der moderne Kapitalismus hat die soziale Basis der Arbeiterbewegung zersetzt und aufgelöst. Mit der Folge, dass „die“ Arbeiterbewegung als klassenautonome politische, gewerkschaftliche und kulturelle Bewegung nicht mehr existiert.“ (These 6 im Abschnitt „Arbeiterklasse in der Krise“). Dieser Satz allein schon müßte einem DKP-Mitglied die Frage nach den Absichten der Parteiführung aufdrängen. Er wird aber erst möglich auf der Grundlage der zunächst nicht so offensichtlich revisionistischen These von einer neuen Entwicklungsetappe des Kapitalismus, die durch den Neoliberalismus und den globalen Kapitalismus, der Globalisierung, gekennzeichnet sei. Dieser Globalisierungsbegriff, der in der DKP eine allgemeine Verbreitung fand, ist im Kern die Ablehnung der Ergebnisse der leninschen Analyse des heutigen Kapitalismus, des Imperialismus und der Schlußfolgerungen daraus: „Das Resultat ist eine Vertuschung, eine Abstumpfung der fundamentalsten Widersprüche des jüngsten Stadiums des Kapitalismus statt einer Enthüllung ihrer Tiefe, das Resultat ist bürgerlicher Reformismus statt Marxismus.“ (Lenin, Werke, Bd. 22, Dietz Verlag Berlin 1960, S. 274, siehe auch die Seiten 275, 276, 292, 294, 298 ff!). Eine treffliche Charakteristik gab auch Thomas Ebermann auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz von „junge Welt“ 1999: „Wer den Kapitalismus nicht kritisieren kann, neigt dazu, ihm neue Etappen anzudichten. Kapitalismus wird durch solche Fragestellungen als in seiner Formveränderung, nicht in seinem Wesen kritisiert.“ („junge welt“, 11. 1. 1999). Der Versuch, eine qualitativ neue Etappe des Imperialismus aus seinen Formveränderungen abzuleiten, beginnt in der DKP besonders im Zusammenhang mit der Bestimmung der programmatischen Leitlinien der Partei auf dem Mannheimer Parteitag 1993 und dem folgenden Parteitag. Ein von Mayer an den 13. Parteitag gestellter Antrag, den Neoliberalismus als Begriff für eine neue Entwicklungsetappe des Imperialismus in die Programmatik der DKP aufzunehmen, wird abgelehnt. Später verschwimmen - mit wenigen Ausnahmen - die Frontlinien. Zu denen, die konsequent bleiben, zählt Leo Mayer, bei dem in der Terminologie über das Neue im Imperialismus die Globalisierung in den Vordergrund rückt, später auch zeitweilig der „kollektive Imperialismus“. Die Dauer der Auseinandersetzung, die sich jetzt mit den vom Parteivorstand autorisierten Thesen zwangsläufig zuspitzen muß, zwingt die marxistischen Kräfte in der Partei konsequenter als bisher ihre Positionen zur Geltung zu bringen.

Aus: Berliner Anstoß, März 2010.


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