Zeitalter der Skandale auch bei der Polizei in Sachsen

Skandale der Polizei in Sachsen sind keine Seltenheit. Wer erinnert sich nicht an die Fülle der gestohlenen Fahrräder in der Asservatenkammer der Polizeidirektion Leipzig, die an Polizisten gingen. Seit 2019 ziehen sich die Ermittlungen hin und sie sind immer noch nicht abgeschlossen. Oder denken wir nur an den Fall der  Antifaschistin Lina E. aus Leipzig, eine Studentin, gegen die Ermittlungen nach dem Paragrafen 129 StGB laufen. Dazu fällt mir ein, was Wolfgang Abendroth in einem Interview für das DDR-Fernsehen 1977 als „Ermittlungsgefahr“ bezeichnete. Er verstand darunter die He­xenjagd auf „Sympathisanten“, die sich gegen die gesamte Linke richtet. Dass hinter der Vorverurteilung von Lina E. ein solches politisches Kalkül steckt, dürfte kaum zu bezweifeln sein.

Jetzt aber haben wir es mit einem neuen Skandal bei den Verfolgern des Terrorismus selbst zu tun. Eine unvermeidliche Begleiterscheinung der kapitalistischen Gesellschaft und des reaktionären Staatsumbaus. Ermittelt wird gegen 17 Beamte eines mobilen Einsatzkommandos des Landeskriminalamtes Sachsen. Sie sollen im November 2018 etwa 7.000 Schuss Munition entwendet und als Bezahlung bei einem privaten Schießtraining der mit der rechtsextremen Gruppe „Nordkreuz“ verbundenen Firma „Baltic Shooters“ genutzt haben. Folgt jetzt die Terrorermittlung bei den Terrorbekämpfern? „Unfassbar“ nannte der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) diesen Vorfall, der noch nicht einmal in Sachsen selbst entdeckt wurde. Von „krimineller Energie“ im LKA Sachsen war die Rede. So spricht ein Sünder, der über seine Sünden nicht gesprochen haben will. Wöller steht bekanntlich schon lange unter Kritik.

Es kann nicht unsere Sache sein, in diese „allgemeine Entrüstung“ nur einzustimmen, obwohl wir natürlich entrüstet sind. Uns geht es um die Ursachen. Was hilft die große Enttäuschung des sächsischen LKA Chefs Patric Kleine? Was helfen die Kritiker aus der bürgerlichen Presse oder den Bundestagsparteien, die zwar Untersuchungsausschüsse fordern, aber letztlich nichts verändern? Eine Rechtsentwicklung gibt es im stärksten Maße. Das ändert sich solange nicht wie der Hauptfeind marxistisches und radikaldemokratisches Denken bleibt. Im sächsischen Landtag ist es Kerstin Köditz von der Linken, die daraus kein Hehl macht. Die einzige Chance, die wir innenpolitisch haben ist, dagegen im Bündnis breitester Öffentlichkeit Front zu machen und der Arbeiterklasse aufzuzeigen, dass ihr nicht damit gedient ist, diese verfaulte Erbschaft anzutreten. Auch der jetzige Skandal gehört zu den Konflikten, die sich immer wieder auf dem Boden des Privateigentums erzeugen. Er ist ein Symptom des Verfallsprozesses des kapitalistischen Systems in seinem imperialistischen Stadium und liegt in der Logik der Wurzeln und Traditionen des BRD Staates, seines Apparates.

„Wir leben in einer Zeit der gesellschaftlichen Skandale“, meinte Franz Mehring 1914. Kaum „hat einer aufgehört, mit seinen trüben Fluten die Spalten der Zeitungen zu überschwemmen, als schon ein neuer Skandal noch trübere Fluten heranwälzt.“ Hat diese Massenproduktion von Skandalen auch nur „einem armseligen Ministerium ein Haar gekrümmt, geschweige denn die kapitalistische Gesellschaft irgendwie erschüttert“? Erwarten wir vom Munitionsklau in Sachsen mehr als von den Skandalen bei der Bundeswehr oder im Bundestag? Ausgewichen wird auf Schönfärberei (keine rechtsextreme Verstrickung, alles unter Kontrolle) und den obligatorischen Gerichtstag über die DDR. An Skandalen stirbt der Kapitalismus nicht. Wäre es anders, gebe es ihn schon lange nicht mehr. Die Axt muss an der Wurzel des Systems angesetzt werden. Der Arbeiterklasse fehlt in großen Teilen immer noch das Bewusstsein davon. Das kann sich ändern.

hm